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RE: Weltwirtschaftskrise: Zunehmende Kämpfe und politische Krisen |
Beitrag Kennung: 237985
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Die Konjunkturprognosen werden düsterer, die Verluste auf den Finanzmärkten immer größer - und die Aktienkurse bleiben unter Druck. Doch eine Analyse zeigt: Der dauernde Vergleich mit der großen Depression der dreißiger Jahre hinkt gewaltig.
Im "Stern" erschien kürzlich eine hübsche Karikatur, die ging ungefähr so: Einige Steinzeitmenschen sitzen am Lagerfeuer. Einer sagt, die gebräunte Keule in der Hand, den Blick versonnen auf die Einöde gerichtet: "Eigentlich ist Bochum auch ohne Opel ganz schön."
Die Karikatur zeigt: Die globale Wirtschaftskrise ist im breiten Bewusstsein angekommen, sie trübt die Stimmung. Denn tatsächlich haben sich in der vergangenen Woche die schlechten Nachrichten nochmals gehäuft. Die Weltbank etwa erwartet in diesem Jahr die erste globale Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Die weltweite Industrieproduktion könnte Mitte des Jahres um 15 Prozent unter dem Wert des Vorjahres liegen, heißt es.
Der Welthandel werde zudem den stärksten Rückgang seit 80 Jahren erleben, sagt die Weltbank. Was das für die extrem exportabhängige deutsche Wirtschaft bedeutet, ist klar: Schon im ersten Monat dieses Jahres brachen die deutschen Exporte gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als 20 Prozent ein - ein Erdrutsch.
50 Billionen Dollar - vernichtet
Auch die Zahlen zum Schaden auf den Finanzmärkten werden immer größer. Vorläufiger Höhepunkt: Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) brachte Anfang der Woche eine Studie heraus, wonach bislang weltweit Vermögenswerte in Höhe von nicht weniger als 50 Billionen Dollar vernichtet wurden.
50.000.000.000.000 Dollar?
Wer fühlt sich da nicht an die Kinoparodie "Spaceballs" erinnert, in der die "Lichtgeschwindigkeit" noch durch die "lächerliche Geschwindigkeit" sowie die "wahnsinnige Geschwindigkeit" getoppt wird?
Aber im Ernst: Gibt es mitten in einem solchen Krisenszenario überhaupt einen vernünftigen Grund, wieder über steigende Aktienkurse nachzudenken? Die Analysten der IPG Investment Partners AG haben es getan. In einer Kurzstudie haben sie mehrere Finanzmarktkrisen der vergangenen Jahrzehnte nebeneinander gestellt und nach Parallelen und Unterschieden gesucht. Vor allem zur bisher schlimmsten, viel zitierten Großen Depression nach 1929.
Das Ergebnis: Laut IPG ist die Weltwirtschaftskrise mit der gegenwärtigen Situation nicht zu vergleichen. So fiel das amerikanische Bruttosozialprodukt (BSP) laut IPG zwischen 1929 und 1933 um 45,3 Prozent - eine Größenordnung, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch die finstersten Auguren nicht sehen.
Deutlich ist laut IPG auch der Unterschied in der Geldpolitik. Während die Geldmenge beispielsweise in den USA vor 80 Jahren aus Angst vor einer überbordenden Inflation nahezu halbiert wurde, fluten die Notenbanken heute die Märkte geradezu mit Liquidität. Das Zinsniveau der US-amerikanischen Fed etwa befindet sich bereits seit Wochen nahe null. Und die EZB senkte ihren Leitzins erst vor Kurzem auf das Rekordtief von 1,5 Prozent - Tendenz: weiter fallend.
Rückgang des Ölpreises stützt Verbraucher
Hinzu kommt: Auch die milliardenschweren Konjunkturprogramme, mit denen die Politik versucht, sich an der Krisenbewältigung zu beteiligen, finden in der Historie kaum eine Entsprechung. Zusammen mit den wieder niedrigen Rohstoffpreisen entlasten sie die Verbraucher, so die IPG. Der private Konsum bleibe daher bislang noch relativ stabil.
Entscheidende Unterschiede also zur Großen Depression.
Die entscheidende Frage ist jedoch, ob sich diese positiv auswirken - und zwar sowohl auf realwirtschaftlicher Ebene, als auch auf den Aktienmärkten. Verhältnisse wie Anfang der dreißiger Jahre, als die Arbeitslosigkeit in Deutschland und den USA in die Höhe schoss, will schließlich niemand wieder erleben.
Ebenso wenig Kursverluste von fast 90 Prozent, wie sie der US-Index Dow Jones Chart zeigen zwischen 1929 und 1932 verzeichnete. Bislang liegt der Dow seit seinem Höchststand 2007 "erst" mit etwas mehr als 50 Prozent im Minus. Ähnliche Einbußen sind auch beim Dax zu verzeichnen.
Die Frage ist nur: Wann ist das Ende der Talfahrt?
"Allein der Rückgang des Ölpreises seit seinen Höchstständen von mehr als 140 Dollar je Barrel entlastet die Menschen und Unternehmen weltweit pro Jahr um insgesamt 2,8 Billionen Dollar", sagt Felix Schleicher, Portfoliomanager von IPG und Mitautor der Studie. "Hinzu kommen in vielen Staaten Steuersenkungen sowie niedrige Zinsen. Alles spricht dafür, dass diese Entlastungen früher oder später greifen werden."
Laut Schleicher steht allerdings zu erwarten, dass Europa länger brauchen wird, wieder auf die Beine zu kommen, als beispielsweise die USA. "Die USA haben - ebenso wie zum Beispiel China - viel schneller und viel energischer Maßnahmen ergriffen, um die Konjunktur zu stützen", sagt er. "Denken Sie nur an die Konjunkturprogramme von bis zu 800 Milliarden Dollar." In Europa dagegen agieren nach Ansicht des Experten sowohl EZB als auch Politik zu zögerlich.
Dax hinkt Dow hinterher
Aber nicht nur die expansive Geldpolitik und die Konjunkturprogramme sprechen im historischen Vergleich für eine schnellere Rückkehr auf den Wachstumspfad. Auch auf Unternehmensebene gibt es erhebliche Unterschiede. "Wir haben heute in wichtigen Bereichen der Weltwirtschaft - etwa in der Nahrungsmittelindustrie, in der Pharmabranche, in der IT - oligopolistische Strukturen, in denen die Märkte von wenigen Playern beherrscht werden", sagt Schleicher. "Es liegt auf der Hand, dass Unternehmen wie Microsoft zeigen , Nokia zeigen oder Nestlé zeigen stärker aufgestellt sind als die meisten Firmen in den dreißiger Jahren."
Aber was bedeutet das alles für die Aktienmärkte? Nach Meinung Schleichers ist nicht zu erwarten, dass sich Kursverluste von bis zu 90 Prozent wiederholen. Auch wenn die Analyse aufzeigt, dass die Aktienmärkte seit gut eineinhalb Jahren - die Gegenmaßnahmen von Politik und Notenbanken hin oder her - fast genauso abstürzen wie vor 80 Jahren.
"Die Erfahrung zeigt, dass sich die Börsen sechs bis neun Monate vor dem Ende einer Wirtschaftskrise wieder erholen", sagt Schleicher, ohne sich allerdings auf einen Zeitpunkt festzulegen. "Aus besagten Gründen könnten allerdings die Märkte in Europa hinterherhinken."
Sie würden damit gleichsam eine Tradition fortsetzen: Als der Dow Jones im Oktober 1987 den Tiefstand der seinerzeitigen Krise durchschritt, hatten die Kurse hierzulande noch einige unschöne Monate vor sich. Und auch nach dem Platzen der Internet-Blase Anfang dieses Jahrzehnts nahm der Dow den Dax ins Schlepptau. Während in den USA der Tiefpunkt schon im Herbst 2002 erreicht war, gaben in Frankfurt erst ab März 2003 wieder die Käufer den Ton an.
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