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Blut,Ehre, Volksgemeinschaft und Rechtsrock: Hintergründe zum neonazistischen „Fest der Völker“
Ein an den Außengrenzen abgeschottetes Europa reicht ihnen nicht: Die europäischen Neonazis fordern die geschlossene nationale Volksgemeinschaft. So weit – so alt. Seit einigen Jahren fordern sie durch transnationale Events ein „Europa der Vaterländer“. In diesem Jahr soll zum dritten Mal das sogenannte „Fest der Völker“ stattfinden. Dabei handelt es sich um die größte, derzeit regelmäßig veranstaltete Nazikundgebung mit Festivalcharakter in Deutschland. Bands und Redner aus dem „Blood and Honour“-Netzwerk treten vor 500 bis 1.500 extremen Rechten aus mehreren Ländern auf. Durch den Titel stellen sich die Organisatoren der NPD und „Freien Kräfte“ direkt in die Tradition brauner Großveranstaltungen und bilden den Bezug zum Nationalsozialismus. Der Name „Fest der Völker“ stammt von einem Propagandafilm zu den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin, welcher von Adolf Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl produziert wurde. Nicht nur Hitler betete die Propagandaspezialistin an: Ralf Wohlleben, Hauptorganisator und früherer Anmelder des Nazifestivals, nannte in Anlehnung an Riefenstahls Wirken nicht nur den Aufmarsch „Fest der Völker“, sondern verlieh sogar seiner Tochter den Namen Leni.
Die Organisatoren
Wohlleben gehört zu den führenden Köpfen der Naziszene in Thüringen und ist Kreisvorsitzender der NPD in Jena. Hier gründete er vor einigen Jahren gemeinsam mit anderen Nazis aus dem „Thüringer Heimatschutz“ ein „nationales Wohn- und Schulungszentrum“, welchem länderübergreifend Bedeutung zukommt. Das langjährige Landesvorstandmitglied ist in diesem Jahr nicht wieder zu den Wahlen zu eben diesen angetreten. Außerdem tritt der erfahrene Neonazi im Gegensatz zu den vergangenen drei Jahren nicht mehr als Anmelder des „Fest der Völker“ in Erscheinung. Nach einem Überfall auf Wohlleben und einem erfolgreichen Brandanschlag auf sein PKW zieht sich Wohlleben seit Beginn des Jahres zunehmend aus dem öffentlich-politischen in das Familien- und Arbeitsleben zurück. Nichtsdestotrotz zieht er weiter die Fäden der Thüringer Naziszene. In diesem Jahr tritt Andrè Kapke als Anmelder des „Fest der Völker“ auf. Das Antifa Recherche Team Thüringen schreibt, er gilt "als "Mann für's Grobe" und stellt nicht gerade eine intellektuelle Bereicherung für die "nationale Bewegung“ dar." Kapke kommt, wie auch Wohlleben, aus Jena.
Die vergangenen Jahre
In der Thüringischen Stadt wurde das „Fest der Völker“ bereits zwei Mal veranstaltet. 2005 fanden sich etwa 500 bis 800 Neonazis aus verschiedenen europäischen Ländern ein. Ab dem frühen Morgen gab es antifaschistische Blockaden auf dem anvisierten Veranstaltungsplatz der NPD. Diese führten zu dem Teilerfolg, dass das Nazifestival auf einen Parkplatz außerhalb der Stadt verlegt werden musste. Dort traten Bands wie „Brigade M" aus den Niederlanden, „Before the war“ aus der Slowakei oder „Nothung" aus Schweden auf. Zeitgleich demonstrierten bis zu 8.000 Menschen gegen den extrem rechten Aufmarsch. Obwohl die Neonazis ihre Kundgebung noch im selben Jahr bis 2015 in Jena anmeldeten, blieb die erwartete überwältigende Resonanz vorerst aus. (Antifa-Auswertung)Als im Sommer 2006 Deutschland im nationalen Taumel der Fußball-Weltmeisterschaft versank, war für die extremen Rechten kein Platz in Jena - übrigens auch nicht für Antifaschismus und Demokratie. Unter Berufung auf einen polizeilichen Notstand wurden alle politischen Veranstaltungen verboten. Dies führte zumindest zu enormen finanziellen Einbußen auf Seiten der Neonazis.Zum Showdown kam 2007 in Jena. Im September versammelten sich 1.500 Rechtsextremist_Innen unter dem Schutz eines enormen Polizeiaufgebots. Etwa 3.000 Nazigegner_Innen blockierten alle Zuwege zum Seidelparkplatz, dem Austragungsort des rechten Konzertes. Um etwa drei Stunden konnte der Beginn der Kundgebung verzögert werden. Dann räumte die Polizei Gassen durch die Blockaden, um Publikum und Stromgenerator der Nazis zu ihrer Veranstaltung zu leiten. Das „Fest der Völker“ 2007 war die zahlenstärkste extrem rechte Versammlung in Thüringen seit 1992.
„Fest der Völker“ als Code der internationalen „Blood and Honour“-Szene
Alle Bands, die in der Vergangenheit aufgetreten sind oder in diesem Jahr auftreten sollen, sind dem internationalen Rechtsrocknetzwerk „Blood and Honour“ zugehörig. Obwohl diese Vereinigung seit 2000 in Deutschland verboten ist, gelingt es der Vereinigung immer wieder, sich und ihre neonazistische Subkultur unter dem versammlungsrechtlichen Schutz der NPD oder unter einem anderen Label zu inszenieren. Erst vor wenigen Tagen geriet „Blood and Honour“ in den Fokus der Öffentlichkeit: Die Daten-Antifa hackte ihr weltweites Forum und veröffentlichte tausende Nutzerdaten, Foren und private Nachrichten. Journalist_Innen und Nazigegner_Innen hoffen nun, dort Beweise für das offensichtliche Fortbestehen des Netzwerks in Deutschland zu erlangen. Erste Auswertungen bezeugen vor allem die enge Zusammenarbeit des internationalen „Blood and Honour“-Netzwerks und den Organisatoren des „Fest der Völker“. So wird im ungarischen Unterforum das „FdV“ ausgewertet. Auch russische, griechische und schweizerische Nazis diskutieren das Festival. Werbung findet sich für jedes Jahr mehrfach: in eigenen Beiträgen und Signaturen in- und ausländischer „Blood and Honour“-Sympathisant_Innen. Ein Faschist aus den USA fragt: "Is this a BH sponsored event?" Eine Antwort bleibt aus. Offensichtlich wird die Nähe deutscher Nazis zur „Blood and Honour“-Sektion „Veneto Fronte Skinheads“ aus Norditalien. Nicht nur, dass diese in den vergangenen Jahren mit Infostand und Bussen anreisten. Im April 2007 fand in Italien ein extrem rechtes Skinheadkonzert statt, welches gemeinsam von den „Veneto Fronte Skinheads“, deren Mädchen-/Frauengruppe USGI („Unione Skinhead Girl Italia“) und den deutschen „Fest der Völker“-Machern organisiert wurde. Die norditalienischen Nazis des rechtsterroristischen „BnH“-Flügels "Combat 18" werben für zahlreiche Konzerte mit Bands, die nahezu alle in den vergangenen Jahren in Jena aufgetreten sind oder in diesem Jahr auftreten sollen: „Strappo“, „Hate for breakfast“, „Before the war“ und andere. Hervorzuheben sind zwei Punkte. Zum einen hat sich das „FdV“ in der internationalen Rechtsrockszene mittlerweile als Label etabliert, um codiert für „Blood and Honour“-Konzerte zu werben. Zuletzt sollte am 16. August 2008 ein „Fest der Völker“ stattfinden – in Tschechien. Beworben wurde dies auch in Deutschland. Die lokalen Behörden verboten die Veranstaltung, dennoch demonstrierten etwa 250 Neonazis, darunter auch deutsche NPD'ler, durch die tschechische Stadt Hradec Kralove. Zum anderen erlaubt das gehackte „BnH“-Forum, bei dem unter dem Pseudonym „OrgaleitungFdV“ auch Andrè Kapke registriert ist, Rückschlüsse auf die guten Verbindungen des internationalen Rechtsrocknetzwerks zu deutschen Nazis und die gegenseitige Unterstützung bei der Organisation von Konzerten. Die Struktur von „Blood and Honour“ hat sich in Deutschland gewandelt. Es wird schwer sein, einzelnen Nazis die Weiterführung des Netzwerkes in seiner alten Form nachweisen zu können. Das Antifaschistische Infoblatt konstatierte bereits 2006: ">„Dass Blood & Honour-Leute einen Teil ihres Netzwerkes auch nach dem Verbot aufrecht erhalten konnten, haben in den letzten fünf Jahren viele antifaschistische Recherchen offen gelegt. Nur: Ein übergreifendes Label mit hierarchischem Aufbau und festen Mitgliedschaften gab es tatsächlich nicht mehr. Es hatte sich nämlich schon vor dem Verbot zerfasert. Bis ins Jahr 1999 stellte Blood & Honour in Deutschland einen festen, klar strukturierten und elitären Zusammenhang, der es ermöglichte, die »besten« (und gewinnträchtigsten) Konzerte auf die Beine zu stellen und einen erheblichen Teil des Marktes insbesondere mit illegalen CDs zu kontrollieren.“ Internationale Kontakte, welche die Rechtsrock-Szene stärken - und einen enormen Geldbetrag umsetzen - benötigen die feste Form einer einheitlichen Bezeichnung nicht mehr. Sie haben längst andere enge und weite Netzwerke etabliert: Online-Versände, Plattenfirmen, Parteistrukturen. Eine solche Form ist auch das „Fest der Völker“. In der Verbotsverfügung gegen das „Blood and Honour“-Netzwerk in Deutschland aus dem Jahr 2000 “ heißt es: „Nach eigenem Verständnis versteht sich „Blood & Honour“ als überparteiliche Skinheadorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die nationalsozialistische Weltanschauung auf dem musikalischen Sektor zu verbreiten. Das Vereinssymbol von „Blood & Honour“ ist die in altdeutscher Schrift gestaltete Losung „Blut und Ehre" der Hitlerjugend in englischer Sprache. ... Zum Teil wird auch die Triskele...- ähnlich dem Hakenkreuz -verwandt. ... Der Zweck von "Blood & Honour“ liegt in der Verfolgung gemeinsamer politischer Ziele ... Er ist auf die Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie mittels Skinheadmusikkonzerten und Fan-Magazinen (sog. Fanzines) gerichtet. ... Seit ihrer Gründung hat „Blood & Honour“ in ganz Deutschland Konzerte veranstaltet..., bei denen Musikgruppen ... Skinheadmusik aufführten. Die Liedtexte enthielten unter anderem neonationalsozialistische bzw. rassistische und gewaltverherrlichende Passagen. ... Die „Blood & Honour“-Bewegung will diese verfassungsgemäße Ordnung mit ihrer Tätigkeit fortlaufend untergraben. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Sie bekennt sich zu Hitler und anderen führenden Nationalsozialisten ... Verwendung von Symbolen und Begriffen des Nationalsozialismus." Der Blick auf die Inhalte und Texte der beim „Fest der Völker“ auftretenden Bands und Redner weißt eben diese Merkmale auf. Viele der Bands präsentieren sich auf ihren Internetseiten vor entsprechenden Bannern von „Blood and Honour“. Eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus bringt schon der Titel „Fest der Völker“ mit sich. Nicht lange suchen muss man nach neonazistischen, rassistischen und gewaltverherrlichenden Passagen. In Videoaufnahmen der NPD-Kundgebung von 2005 finden sich Textpassagen wie „Tötet alle Juden - bringt sie um! White men – let's go!“
Folgen der Proteste
Im vergangenen Jahr erreichten die Proteste gegen den Naziaufmarsch eine neue Qualität. Die Blockaden wurden mit dem Ziel der bestmöglichen Behinderung des Nazifestivals offen angekündigt und von antifaschistischen Gruppen und zivilgesellschaftlichen Initiativen gleichsam getragen. Aus der Aktion entwickelten sich über die Stadtgrenze hinaus Impulse. Das neu gegründete zivilgesellschaftliche „Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Jena“ verabschiedete die „Jenaer Erklärung", welche ankündigt, das „Fest der Völker“ künftig durch Blockaden verhindern zu wollen - wo auch immer es veranstaltet wird. Etwa 700 Einzelpersonen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen unterschrieben das Pamphlet. Sie erklärten zudem ihre Solidarität mit allen, die zum Zweck der Verhinderung des Naziaufmarsches auf die Straße gehen und weisen auf Anknüpfungspunkte brauner Ideologie in der sogenannte gesellschaftlichen Mitte hin. Darüber hinaus bereitet sich das Netzwerk seit Monaten auf Blockaden vor: Unter anderem durch Trainings, die Gründung eines Legal-Teams, der Organisation einer Demosanigruppe. Ein erster überregionaler Erfolg waren die Aktivitäten gegen einen Naziaufmarsch im nahen Weimar im April 2008. Auch hier bekannten sich bürgerliche Kräfte zu Blockaden gegen die Nazis und behinderten deren Aufmarsch erfolgreich. Ziviler Ungehorsam und eine aktive antifaschistische Szene brachten die Jenaer Nazis in diesem Jahr bereits mehrfach in Bedrängnis. Es ist ihnen nicht gelungen, sich als normale politische Kraft zu inszenieren.
13. September 2008 - Der Rückzug in die Provinz
Aus Angst, ihre europaweite Großveranstaltung „Fest der Völker“ könne durch den kontinuierlich wachsenden antifaschistischen Widerstand in Jena in diesem Jahr tatsächlich verhindert werden, meldete der austragende NPD-Kreisverband die Kundgebung in Jena ab und statt dessen in Altenburg an. Die Kleinstadt nahe Leipzig ist der Heimatort von Thomas Gerlach. Dieser ist Schlüsselfigur zwischen den „Freien Kräften“ und der NPD in Thüringen. Eine besonders gute Beziehung hat er zu den „FdV“-Organisatoren Wohlleben und Kapke. Im Internet begründet er die Wahl der Stadt: „Diesmal wird es sicher nicht so sein, dass die Afa in der Lage ist die Szenerie zu diktieren ;-)“. Diese Hoffnung in einen reibungslosen Ablauf des diesjährigen „Fest der Völker“ zeigt, wie schwer die Massenblockaden und die direkten Aktionen gegen die Neonazis im vergangenen Jahr in Jena die erstarkende rechte Szene getroffen haben. Die Nazis streben an, in Altenburg ein störungs- und protestfreies Festival durchführen zu können. Den Plan, in Jena eine temporär national befreite Zone zu errichten, haben sie zumindest für dieses Jahr aufgegeben. Insbesondere im Hinblick auf die Spaltung der Thüringer NPD und dem anstehenden Wahlkampf 2009 besitzen nun andere Faktoren Priorität. Zum einen die innere Festigung und Vernetzung - überregional sowie international. Zum anderen kommt dem rechten Konzert mit Redebeiträgen eine herausragende Bedeutung als Geldquelle zu. Wie auch in den letzten Jahren werden die Organisatoren durch mehr als 60 Ordner_Innen obligatorische „Spendenbeiträge“ in Höhe von mindestens 10€ von den Kundgebungsteilnehmer_Innen eintreiben. Bratwurst und Getränke, T-Shirts, CD's und DVD's füllen die Kasse zusätzlich. Diese Einnahmen fließen direkt zur NPD und dienen u.a. der Finanzierung des Landtagswahlkampfes 2009. Insofern erscheint die offensichtliche Nervosität von Thomas Gerlach nachvollziehbar. Dieser betreibt im Internet eine Diskreditierungskampagne gegen die angekündigten solidarischen Blockaden zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Gruppen. Denn auch das „Altenburger Bündnis gegen Rechts“ hat eine Erklärung veröffentlicht, die dem Wortlaut der Jenaer entspricht. In Altenburg haben bereits 1.100 Menschen unterschrieben, mit Blockaden gegen das Nazifestival vorgehen zu wollen. Gemeinsam mit den Jenaer Initiativen werden die Proteste seit Wochen intensiv vorbereitet. Aus fast allen größeren Thüringer Städten gibt es Busse zu den Protesten. Allein die Stadt Jena stellt sechs Busse zur Verfügung, welche Nazigegner_Innen kostenfrei nach Altenburg fahren. Auch die „Antifaschistische Jugend / Bundesweite Aktion“ mobilisiert mit einem eigenen Aufruf deutschlandweit nach Altenburg. Sollte es am 13. September gelingen, die Nazis durch breit getragene Blockaden auch in ihren ländlichen Rückzugsorten zu behindern, wird dies die extrem rechte Szene in Thüringen nachhaltig schwächen und die Bestrebungen der europäischen Vernetzung torpedieren. Darüber hinaus sind die Vorbereitungen der Gegenaktivitäten schon jetzt ein Erfolg für das Legitimieren zivilen Ungehorsams und der Etablierung einer antifaschistischen Bündnispolitik. |
Quelle: http://de.indymedia.org/2008/09/226259.shtml
Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von die_gute_fee: 06.09.2008 23:26.
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