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RE: Dagegen halten - Mund aufmachen |
Beitrag Kennung: 929183
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Heute war AfD-Wahlwerbung in unserem Briefkasten.
Und da dachte ich, es ist sicher nett, wenn ich für die blaubraunen Brüder auch ein bisschen Werbung laufe.
Drei Straßen weiter saß eine ältere Frau mit ihrer Katze im Garten. Freundlich sagte ich "Hallo", was mit einem ebenso freundlichen "Hallo" quittiert wurde. Als ich ihr dann ganz lieb erklärte, in ein paar Tagen seien ja Wahlen und sie solle die Zeit noch nutzen, in denen ihr Viech frei rumlaufen dürfe, guckte sie etwas erbost, was sich dann noch steigerte, als ich im Brustton der Überzeugung weiterredete "weil, wenn die AfD endlich an der Macht ist, erfolgt umgehend die Einführung des Schießbefehls auf freilaufende Katzen - vor allem, weil Ihre ja auch noch ne Perser-Katze ist!" Mit einem "Nicht vergessen, Alternativen wählen!" machte ich mich wieder auf den Weg. Es ist schon verblüffend, wie sehr alte Frauen doch keifen können, selbst wenn man schon einige Meter weit weg ist ...
Um die Ecke gibts einen Gemüseladen, der von einer deutsch-türkischen Familie betrieben wird. Das "Hallo, ich komm von der AfD" kam mir richtig leicht von den Lippen. Der deutschen Ladeninhaberin stellte ich natürlich die Frage, ob sie denn auch den Laden alleine betreiben könnte, weil "wenn wir erst an der Macht sind, gibts die Minus-Obergrenze und dann wird Ihr Mann ratzfatz nach Anatolien entsorgt! Hart für Sie und gut fürs Land! Und nicht vergessen: Alternativen wählen!"
Mein Gott, auch nicht so sehr alte Frauen können keifen ... erschreckend dieser Hass ...
So langsam macht mir der Wahlkampf richtig Spaß!
Auf dem Weg treffe ich eine junge Frau mit Kinderwagen, das "Hallo, ich komm von der AfD" geht mittlerweile echt locker. Erst beug ich mich zu dem Fratz runter, während ich ihr den AfD-Wisch in die Hand drück, dann stell ich fest, sie trägt ja gar keinen Ring und frage natürlich sofort nach, man muss ja schließlich Nähe zum Volk symbolisieren. "Ja," lamentiert sie los, "ich bin geschieden, mein Mann hatte den Hang zu Gewalttätigkeit" - La Ola, welch kollosale Steilvorlage, da lacht das braune Herz. Ich frage sehr höflich nach, ob sie schon geklärt hat, ob sie oder der Mann schuld gewesen sei. So ein bisschen Haue tue doch keinem weh und wenn sie die treibende Kraft der Scheidung gewesen sei, dann gibts weniger Geld vom Staat, sobald "wir" der Staat sind. Vielleicht solle sie doch lieber zu ihrem Göttergatten zurück, so schwer könne das doch nicht sein.
Ich fühle mich peinlich berührt, als ich sehe, wie sie das Faltblatt zerknüllt und auf die Straße wirft ... keinen Respekt heutzutage, wirklich ... und ich stelle fest, junge Frauen können am lautesten schreien.
Frohen Mutes gehe ich weiter und denke mir, man könnte ja aus dem Straßenkampf auch einen Häuserkampf machen. Also wähle ich ein Haus aus. Meine Unterarme passen genau auf die Klingelleisten links und rechts und mit etwas Druck klingele ich die AfD sicherlich in die Herzen der Mieter dort.
Nach noch nicht einmal zwei Minuten Dauerklingeln tun mir die Unterarme weh. Man opfert schon echt viel im Wahlkampf. Der Türöffner gibt die Haustür frei.
Im ersten Stock öffnet ein junger Mann, er scheint noch etwas verschlafen, auf meine Frage, ob er Hartzer sei, antwortet er etwas unwirsch, er sei Student und hätte erst später Vorlesung. "Hach," lege ich mit Inbrunst los, wann er denn mit seinem Studium fertig sei. In vier Jahren, er würde schließlich Arzt werden wollen. "Nein, ich meinte, in welchem Alter?" - "Mit 29 oder 30" gibt er unwirsch zurück. Nun, dann müsse er ja nur bis 74 oder 75 arbeiten, denn wenn "wir" endlich an der Macht sind, wird es die Rente erst nach 45 Arbeitsjahren geben.
Ich verstehe gar nicht, wieso er die Wohnungstür zuhaut, leider dämpft die Tür auch sein Rumgeschreie, so dass ich ihn nicht verstehen kann. Sicherlich denkt er gerade darüber nach, sein Studium abzubrechen und sofort einen Job zu suchen, im Lager nehmen sie auch Ungelernte, hab ich mir sagen lassen.
Es macht unbändigen Spaß, so als Wahlkämpfer unterwegs zu sein.
Und einen Stock höher ruft schon der nächste ein fragendes "Hallo?" ins Treppenhaus. Mit einem "Hallihallohalle, ich bin die AfD" stürme ich die Treppen nach oben.
Der Mann begrüßt mich sogar freudig, dass er das noch erleben darf, dass wirklich Politiker an die Haustür kommen. Und ich müsse ihm ja gar nichts erzählen, er würde schon so lange von Hartz4 leben müssen.
"Na, dann freut es Sie ja sicher, dass das Hartz4 ersatzlos abgeschafft wird, ach, das ganze Arbeitslosenversicherungsgedöns, wenn "wir" an der Macht sind." - "Und von was soll ich dann leben? Ich finde keinen Job, ich hab einen Bandscheibenvorfall." - "Papperlappapp, einen Besen können auch Sie schwingen, Straßenkehrer werden immer gebraucht und für den Dreck auf der Straße bekommen Sie einen Piekser. Der wird Ihnen allerdings vom Lohn abgezogen."
Wen tituliert er nun als "*********" und welche Partei meint er, wenn er sagt, er würde garantiert nicht diese Arschloch-Partei wählen?
Leider kann ich ihn nicht fragen, denn er schlägt mir die Wohnungstür vor der Nase zu. Sicherlich guckt er im Internet, wo er einen Piekser herbekommt.
Ganz oben unter dem Dach klebt ein Poster mit einem Regenbogen an der Wohnungstür. Ich läute, die Tür geht auf, zwei Männer stehen eng nebeneinander im Flur und ich frage sehr höflich, ob sie wohl Regenbogenfans sei und dass Wohnungsflure immer so scheußlich eng seien, dass man gar nicht im ausreichenden Abstand voneinander stehen könnte.
Der eine Mann meint, das sei ihr Zeichen und das sei ihr Jahr, weil sie sich entschlossen hätten, noch dieses Jahr zu heiraten. Sie schauen sich verliebt an.
Ja, Liebe ist schön, meine ich, und sie sollen sich nur beeilen, denn in drei Wochen, wenn das Reichstagsgebäude endlich wieder Reichtstag wird, dann ist dieser Spuk aber zickizacki vorbei. Weil eine echte Familie besteht aus Mutter und Vater und Kindern und aus nichts anderem.
Ich finde es sehr höflich, dass die beiden Herren mir die Treppe runterhelfen, wenn es auch für meinen Geschmack ein wenig zu schnell geht.
Und als ich dann wieder auf die Straße getreten werde, bin ich sehr zufrieden mit mir.
In der Mülltonne, die neben mir steht, finde ich einen ganzen Packen AfD-Werbung.
Morgen geh ich mal in einen anderen Stadttteil Wahl-Werbung machen, soll ja keiner sagen, er habe von nix gewusst ..."
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