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RE: Nord- und Südkorea schließen Frieden |
Beitrag Kennung: 69741
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NORDKOREA: Land der Lügen
Eine Woche durfte ARD-Korrespondent Klaus Scherer durch das auch für Journalisten noch immer schwer zugängliche Nordkorea reisen. Er und sein Kamerateam bekamen außergewöhnliche Einblicke in den Alltag des letzten stalinistischen Staates. In Pjöngjang besuchen sie für den WELTSPIEGEL einen Mann, der in den 50er Jahren in der DDR lebte. Heute arbeitet er beim staatlichen Rundfunk, ist Parteimitglied und schwärmt von der nordkoreanischen Gesellschaftsordnung. Auf der Weiterreise in den Süden erscheint schließlich das Niemandsland:
Zäune, Minenfelder, Wachposten. Das ARD-Team erreicht die gefährlichste Grenze der Welt und das erstmals von nordkoreanischer Seite..
Reisigsammeln für den Winter. Entlang unserer Wegstrecke werden wir das öfter sehen. Die Sträucher am Stängel gekappt. Manchmal auch die jungen Bäume. Ansprechen dürfen wir die Frauen nicht. Sie seien scheu, sagen unsere Begleiter, und drängen uns zur Weiterfahrt.
Weiter also durch den Morgennebel. Bald tauchen Betonsäulen auf. Bei Bedarf kippen sie als Panzersperren auf die Strasse. Drehen ist hier eigentlich verboten. Wir sind von Pjöngjang aus unterwegs nach Süden, zur innerkoreanischen Grenze. Soldaten auf Posten. Ein Betonstreifen markiert die Grenzlinie, in der Baracke kann man sie dann überqueren.
An diesen Tischen wurde vor 50 Jahren der Waffenstillstand mit den Amerikanern ausgehandelt, sagt uns ein Leutnant. Gleich hinter den Baracken die Besucherplattform Südkoreas. Auch elektronisch beäugt man sich hier wechselseitig. Die Grenze sei eine Demütigung, sagt uns der Leutnant. Zugleich spricht er von einem Sieg seiner Armee. Leutnant Paek Myong Chol sagt: “Bis zum Koreakrieg hatten die Amerikaner noch nie einen Krieg verloren. Wir waren die ersten, die ihnen ebenbürtig waren. Und unsere Armee wird dem Volk auch jetzt wieder Vorbild sein. Das wichtigste im Staat ist die Verteidigung.“
Im Westen werde immer häufiger gefragt, ob Nordkorea wirklich Atomwaffen habe, sagen wir später in der Halle, wo der Waffenstillstand abgezeichnet wurde. Was denn nun stimme und was nicht? Da grinst er nur und hält sich so bedeckt wie sein Regime: "Schätzen sie mal, wie viele wir haben.“ Die Grenzstadt Kaesong. Propaganda allüberall, eine Brüll-Stimme warnt vor einem Rückfall in die Kolonialzeit. Wir sichern die Festung unseres Führers, steht an der Mauer. Fast alle, die uns bemerken, scheinen verunsichert, nicht mal wo sie herkommen und hingehen, lässt sich erfragen. Manche drehen sogar um oder laufen davon. Bis uns der Übersetzer, der hier immer auch Aufpasser ist, wieder in die Schranken weist. Auch Pjöngjang wird so beschallt, Morgen für Morgen. Kein Mißstand, der nicht mit der Bedrohung durch die USA erklärt wird. Kein Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Führung. Denkvorgaben wie in einem Religionsstaat. Mit ähnlichen Folgen.
In einem Wohnblock treffen wir Parteimitglieder, die als junge Kriegswaise für ein paar Jahre in der DDR lebten. Einer von ihnen war im Jahr 2000 noch einmal in Deutschland. Und? Wie war Ihr Eindruck, fragen wir. Auf der Straße gebe es jetzt Bettler und Musikanten, sagt er uns auf deutsch. In der DDR gab es das nicht. „Wir werden hier niemals Systemänderungen zulassen“, sagt der Hausherr. „Denn, wissen Sie, wir haben hier die beste Gesellschaftsordnung, die es gibt auf der Welt.“
Alles was sie hätten, ihr Leben, die Wohnung, den Fernseher, den Kühlschrank, sagen sie, verdankten sie der Führung. „Kim Jong Il trifft alle seine Entscheidungen gemeinsam mit dem Volk. Auch die Kinder schreiben ihm, und er antwortet jedem. Selbst diejenigen, denen es hier nicht so gut geht, sagen, dass sie am meisten an der Sehnsucht leiden, ihrem Führer nah zu sein.“
Seltsam nur, dass wir kaum einen fragen dürfen. Durch die Kälte reisen wir auf Lehmpisten nach Norden. Unterdessen meldet die UNO, dass sie wegen rückläufiger Spenden keine Nahrungsmittel mehr verteilen kann, vier Millionen Hilfsempfänger gehen diesen Winter leer aus. Irgendwann erreicht unser Bus ein Bauerndorf. Wir fragen nach der Wirkung von Reformen, denn hier gab es sie sehr wohl.
Im Winter ist das Dorf zwar ohne Strom, aber es gibt Brennholz. Von der Feuerstelle unter den Küchentöpfen führt der Rauchabzug unter dem Wohnraum durch und wärmt ihn so. Dazu ein Trinkwassernetz, verlegt mit Unterstützung der deutschen Welthungerhilfe. "Die Kooperative hat auch neues Anbauland erschlossen“, sagt uns eine Bäuerin. „Und wir haben uns privat noch Brachflächen dazugenommen.“ Warum sie keine Scheu vor uns habe, fragen wir. Die Entwicklungshelfer hätten die Fremdenangst zerstreut, heißt es da. Dann fragen wir den Chef, was die wohl wichtigste Neuerung sei. Pek Chong Du, der Kooperativen-Sprecher sagt: "Jeder darf eigene Produkte selbst verkaufen. Was wir zusammen erwirtschaften, wird je nach Arbeitsleistung verteilt. Die Leute sind viel motivierter.“
Der UNO-Vertreter in Pjöngjang begrüßt diese Maßnahmen. Trotz aller Propaganda zeige das, dass auch das Regime einen Wandel für notwendig hält. Noch einmal besuchen wir die Südgrenze, wieder begleitet uns ein Offizier. Von einem Hügel aus blicken wir bald auf den ersten Grenzzaun. Die Beschal-lung kommt diesmal aus dem Süden. Mal Popmusik, mal Texte, mal sogar Erotisches, beklagt sich der Offizier. "All das schicken sie zu uns herüber, nur um unsere Soldaten zu beeinflussen.“
Die Anlagen stehn auf der andern Seite, mit Schriftzügen wie "beidseitiger Wohlstand“ und "friedlicher Austausch“. Was denn nun der Unterschied sei zur Propaganda in Pjöngjang, fragen wir. Hier wie da entscheiden andere, was Menschen hören müssen. "Das ist ein großer Unterschied“, schimpft Oberstleutnant Kang Ho Sop, "Was man in Pyongyang hört, ist schlichtweg das, was unser Volk hören möchte.“
Die Leute möchten das hören, weil es ihnen hilft, erklärt er uns dann. Das sei doch ganz einfach: Einem Freund, der den Weg nicht kenne, beschreibe man ja auch die Richtung. Oder noch einfacher: Erschöpften Soldaten helfe beim Mar-schieren ja auch Marschmusik.
http://www.ndrtv.de/weltspiegel/20040208/nordkorea.html
auf dieser Seite kann man sich auch ein Video dazu anschauen.
Claudia
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