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RE: Fragen zur DDR |
Beitrag Kennung: 52678
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Begriffsbestimmung "Ghetto"
Begriffe wie Platte, Ghetto, Arbeiterschließfach u. a. waren überall für Platten-Neubaugebiete gang und gäbe und das nicht nur unter Schülern. Die Nähe zum Begriff "Ghetto" ist meiner Meinung durch die enge Bebauung gegeben und wer seine Wohnung durch die AWG (Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft) erhalten hatte, traf in seinem neuen Wohnblock alle die wieder, die er auch von seiner Arbeitsstelle kannte. Also Menschen, die zu einer bestimmten Kategorie gehörten. Lusan und Bieblach-Ost sahen gegen Berlin-Hellersdorf oder Marzahn ja noch human aus….. Verglichen mit Altbauwohnungen waren die Mieten keineswegs "Spottpreis", wenn auch vergleichsweise zu heute billig. Wasser und Heizung waren in der Miete inbegriffen - mit gutem Grund.
Trotzdem und trotz aller Unzulänglichkeiten dieser Wohnungen war jeder froh, der eine Plattenbauwohnung bekommen hat, denn die Alternative war unsanierter Altbau mit Ofenheizung und Plumpsklo auf der halben Treppe – oder sog. Gemeinschaftswohnungen, d. h. 2 Familien in einer Wohnung Ich vermute, Pfiffikus hat so oder so ähnlich gewohnt.
"Hausgemeinschaft" … Es kommt darauf an, wie groß das Haus ist und welche Leute da wohnen. Es gab sie tatsächlich, aber bestimmt nicht fürs ganze Haus sondern wenn, dann für einen Aufgang und das hat auch nur geklappt, wenn es nicht mehr als 6 Etagen gab und die Mieter miteinander harmoniert haben. Wer im 1. Aufgang wohnte, hat die Leute aus dem 4. Aufgang nicht gekannt. Solche "Hausgemeinschaften" gab und gibt es sogar im WESTEN, erstaunlich, nicht wahr?
Die Plattenbauwohnungen, in denen ich mal gewohnt habe, waren unterschiedlich. Meine erste Fernheizungs-Plattenbau-Wohnung habe ich 1969 nach 4 Jahren Wartezeit erhalten. Nicht in Gera, da gab es damals keine Wohnungen. Man hatte uns eine "Übergangswohnung" angeboten nach 7 Jahren Wartezeit, unsanierter Altbau. Da sind wir eben weggezogen, dahin wo Wohnungen gebaut wurden. Das Wohngebiet war gut erschlossen und grün belassen, Bäume und Sträucher waren stehen geblieben, schöne Spielplätze angelegt, Wege und Fahrradständer waren fertig. Der Wohnblock war solide gebaut, alle Platten verfugt, alle Wohnungen mit Spannteppich ausgelegt. Das Bad war winzig und ohne Fenster, in der Küche gab es Einbauschränke. Es gab im Keller eine Waschküche und einen Trockenraum mit Heißluftgebläse. Allerdings konnte man die Heizungen nicht abstellen, das war nicht vorgesehen. Und hier gab es sie in unserem Aufgang, die gute Hausgemeinschaft. Nach der Geburt unseres zweiten Kindes habe ich mich für eine größere Wohnung mit 2 Kinderzimmern angemeldet. Nach 3 Jahren Wartezeit habe ich 1976 eine 2 2/2 –Zimmer Wohnung bekommen, Neubaugebiet, Platte. Welch Unterschied zu meiner vorherigen Wohnung! Das Gebiet viel enger bebaut, deshalb waren auch kaum Bäume stehen geblieben. "Zusammengespuckte" Platten, nicht verfugt. Spannteppich gab es auch nicht mehr. Beim ersten Regenguss hat es das Regenwasser durch die Fugen in die Wohnungen gedrückt. Risse in den Wänden resp. Platten, mit Tapete zugeklebt. Ausgebrochene Ecken an den Platten mit Tapete drüber, so dass man es nicht gleich sieht. Aber es hat soo gezogen in dieser Ecke und der Zigarettenqualm vom Nachbar kam rüber … Das Bad war so winzig, wie das zuvor, die Einbauschränke in der Küche waren wegrationalisiert worden. Die Heizkörper waren willkürlich eingebaut, d. h. einen riesengroßen in der Küche, im Wohnzimmer einen winzigen, im Schlafzimmer ein großer Heizkörper, im Kinderzimmer ein winziger…usw. Wahrscheinlich so, wie die gerade dalagen. Immerhin ließen die sich nun wenigstens abstellen bzw. regulieren. Das Umfeld war nicht erschlossen, kein Spielplatz, keine Wege, nur Wüste. Es hat lange gedauert, bis die Außenanlagen gerichtet waren. Der Balkon wurde von uns nur zum Wäschetrocknen genutzt, denn draußen auf dem Wäscheplatz wurde die Wäsche von der Leine geklaut, kaum dass man sich umgedreht hatte. Von "Hausgemeinschaft" keine Spur obwohl der Hausvertrauensmann sich redliche Mühe gab. Es gab einen Trockenraum im Keller, aber da allgemein zugänglich wurde dort auch geklaut. Also blieb nur der eigene Balkon .. Es gab "Warmwasser aus Wand", der erste aus dem Aufgang, der frühmorgens warmes Wasser brauchte, musste es ca. ½ Std. laufen lassen, bis es warm wurde. Im Sommer gab es öfter mal kein warmes Wasser am Abend oder auch überhaupt kein Wasser oder dreckiges, mit schwarzen Krümeln belastetes Wasser. Wir mussten immer genau aufpassen, WANN die Waschmaschine in Gang gesetzt wurde… Die Platten waren nicht isoliert, im Sommer wurde es sehr heiß in der Wohnung und im Winter konnte man gar nicht genug heizen. Es gab einige nette Nachbarn, mit denen wir uns gut verstanden und befreundet haben. Aber es gab halt auch Leute da, die gesoffen haben, die die leeren Flaschen aus dem Fenster geschmissen haben, sich geprügelt haben, den Hund in den Sandkasten sch .. ließen. Mein "West-Schwager", der uns in dieser neuen Plattenbauwohnung besucht hatte, äußerte abfällig: "Bei uns würden nicht mal Türken so eine Wohnung als Sozialwohnung nehmen." Hat mich schockiert damals, aber inzwischen weiß ich, dass er recht hatte.
Wir hatten ein Gartengrundstück mit Bungalow, nur so ließ sich das Plattendasein ertragen. Nach ca. 6 Jahren sind wir da ausgezogen in ein eigenes Haus mit Garten und haben gesagt: Nie wieder Platte.
Das sind meine ureigensten Erfahrungen mit der Platte, andere haben sicher andere Erfahrungen. Wie es sich in Lusan oder Bieblach wohnte weiß ich nicht, wie schon erwähnt, ich bin weggezogen.
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