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RE: Nazifreunde? |
Beitrag Kennung: 376781
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Der Michel triffts auf den Punkt. Wochentags 17:00 eine Linke-Demo zu machen ist aber immerhin zielgruppengerecht.
Was ich außerdem von Gegendemos halte hab ich ja schon weiter oben geschrieben, oder hatte ich mich da unklar ausgedrückt?
Nein, auch ich will hier weder ein neues tausendjähriges Reich noch eine Dikatur in irgendeiner Form wieder haben. Ich brauch dazu die Demonstranten nicht vor einer propagandistisch genutzten Kamera zu befragen, ich kenne in meinem Bekanntenkreis genug aus der Szene die ich hier einfach zitieren könnte. Es ging mir auch gar nicht darum die gewonnenen Erkenntnisse medial zu verbreiten, sondern sich selbst anzuhören und drüber nachzudenken. Mit Medien hab ich so meine eigenen Erfahrungen gemacht, die mich dazu brachten, mit Journalisten nix mehr (beruflich) zu tun zu haben. Da bin ich ja in der DDR sinnerhaltender zitiert worden als von den heutigen Meinungsmachern (und nein, ich war weissgott kein SED-Fan).
Zitat: |
gastli:
...Da begegnen uns auch immer wieder Menschen die sich im Kapitalismus pudelwohl fühlen. Die welche die gesellschaftlichen Verhältnisse für akzeptabel halten. Auch die Beiträge des zitierten User bestätigen das. Bei bestehender Akzeptanz von diesem Gesellschaftssystem ist man weder bereit noch in der Lage zu verhindern oder Ursachen zu bekämpfen. Eine gesunde Gesellschaft mit einer gesunden Demokratie ist damit nicht möglich. |
Guck an, es gibt Leute, die sich im Kapitalismus wohl fühlen. Wenn ich mir die früheren und heutigen "Montagsdemos" so anschaue, gewinne ich den Eindruck, dass der ach so soziale Staat DDR damals erheblich unbeliebter war. Ich bin auch in diesem Staat grossgeworden und weiss dessen soziale Komponenten durchaus zu schaetzen, vor allem wenn man sie mit manch heutigem Unsinn vergleichen kann. Ich kann aber auch diverse Vorteile eines Kapitalismus erkennen, und wenns nur so ganz einfache Dinge sind wie dass es Brot im Laden auch noch bis Ladenschluß gibt. Die Revolten in unsrem Konsum von den Leuten, die erst nach 16:00 einkaufen konnten, hab ich noch gut in Erinnerung.
Ich hab auch noch gesundheitsschädigende Wohnungen in Erinnerung, weil die Mieten zwar auf den ersten Blick für den Mieter ausgesprochen günstig waren, aber in keinster Weise für eine Instandhaltung der Bausubstanz ausgereicht haben. Wenn man überhaupt mal ne Wohnung gekriegt hat.
Jetzt könnte man ganz naiv an die Sache rangehen und einfach sagen, dass man ja am besten beide Dinge zusammenwerfen kann, die sozialen Parameter einer verarmten DDR sollten mit den geschaffenen Reichtümern eines kapitalistischen Wirtschaftssystems locker nachbildbar sein: Kinderbetreuung rund um die Uhr für alle, Schule/Universität kostenlos, günstige Verpflegung, günstige Wohnungen, Mobilität, gesunde Infrastruktur, Forschung & Entwicklung - der Rest ist eh Luxus.
Und warum klappt das offenbar nicht? Weil Sozialpolitik halt nicht im Interesse derer steht, welche diese Politik machen. Die Gesetze, die unser Leben beeinflussen, werden von Leuten gemacht, die wir zwar "gewählt" haben, die aber für andere arbeiten - nämlich die die das Kapital für sich anhäufen. Gesetze werden von Lobbyisten gemacht, nicht vom Volk. Trotzdem haben selbst die, die auf die "Almosen" des Staates (ALG2) angewiesen sind, heute einen weit höheren Lebensstandard als damals zu DDR-Zeiten: eigene Wohnung garantiert, auch für Alleinstehende (ironischerweise gibts sogar mehr Geld wenn man getrennt in zwei Wohnungen lebt ... ein Irrsinn), die ist sogar beheizt, mit Innen-WC und fliessend warmen Wasser, Müllabfuhr inklusive. Ein Betrag, der nach Abzug von Elektroenergie und Nahrung zur freien Verfügung steht. Einige leisten sich sogar noch ein Auto. Erkauft wird das mit etwas Bürokratie (hatten wir früher genauso), ein wenig Datenstriptease (weniger als die Stasi wusste) und der Verpflichtung angebotene Arbeiten anzunehmen. Kein Wunder dass sich kaum einer bei euren Montagsdemos engagiert - wer früher und heute objektiv vergleicht gelangt erstmal zu einem eindeutigen Ergebnis.
Trotzdem denke auch ich, der sich ja offensichtlich im Kapitalismus wohlfühlt, nicht, dass alles in Butter ist. Das System BRD war nach 1950 herum halbwegs stabil, solange die zwei grossen Parteien CDU/SPD jeweils halbwegs im Gleichgewicht sowohl die Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber im Bundestag vertreten haben. Spätestens nach der Wende, seit Kohl abdanken musste, mutierte die SPD aber auch zu ner Industriellenvertretung ("Autokanzler"). Als Opposition kamen damals zwar noch die B90/Grünen hinein, aber die ruhen sich da jetzt auch schon richtig schön mittelständisch aus. Eine breite Unterstützung in der Bevölkerung fehlt ihnen auch noch. Den Wirrwarr, den die SED/PDS/Die Linkspartei.PDS/Die Linke ins System brachte, hat wohl keiner so recht entfitzen können, zumal eine deutliche Vergangenheitsbewältigung viele Leute von einer Unterstützung abgeschreckt hatte.
Tja, und da haben wir heute halt den Salat, dass Gesetze nur von einer industriellen Interessengruppe "designed" werden, was man an dem verzapften Dünnschiss der letzten Jahre sehr gut sehen kann.
Was man daran ändern sollte? M.E. müssen die Bürger wieder stärker in die Politik eingebunden werden. Zumindest die, die das auch wollen. Natürlich Vertreter aus beiden Lagern, es bringt ja nix ein dolles Sozialsystem hinzuzaubern wenn die Wirtschaft nicht atmen kann. Die direkte Demokratie der Schweizer wäre z.B. ein etwas radikales Modell (was auch seine Schwächen hat), die Piraten sind z.B. Fan von Liquid Democracy, was ein Zwischending zwischen den (aktuell) Schweizern und Deutschen wäre. Damit wären denk ich mal solche Unfälle wie das Zugangserschwerungsgesetz oder die Weitergabe von Bankdaten durch SWIFT an die USA gar nicht erst passiert, und das ALG2-Verwaltungsmonstrum wäre dank eines BGE-Modells auf ein gesundes Maß zusammengestutzt *träum*.
Kann so eine Demokratie im Kapitalismus funktionieren? Die Schweiz zeigt, dass direkte Demokratie sehr wohl möglich ist. Deutschland ein solches (oder ähnliches) System überzustülpen wird nicht ganz einfach sein, da man dabei den etablierten Parteien ihre Macht entzieht - das gucken die sich nicht in Ruhe an. Die einzigen, die entsprechendes bewegen können, sind halt die Bürger - die muessen sich dessen nur bewusst sein. Da es nunmal noch keinem wirklich elendig geht, hilft da nur reden, reden, reden, reden, reden, ....
Vielleicht geht den Leuten ja mal ein Licht auf, wenn sie von ihren ersparten 20.000,- € grad mal noch für ne Woche zu Essen kaufen können, weil ihr Staat die Kohle inzwischen sonstwem in den Arsch geschoben hat.
Zitat: |
gastli:
Ergo bin ich der Ansicht, das der zitierte Beitrag pure Heuchelei darstellt. |
Zum billigsten Friseur zu rennen, kein Trinkgeld zu geben, sich ueber die Preise aufzuregen und hier im Forum ueber Niedrigloehne zu motzen - DAS nenne ich Heuchelei.
Eine funktionierende, gesunde Demokratie in einer kapitalistischen Wirtschaftswelt finde ich dagegen sehr wohl möglich. Beispiele gibts ja schon.
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