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RE: Dagegen halten - Mund aufmachen gegen Rechtsextremismus |
Beitrag Kennung: 1005930
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Ich habe einen Artikel von "RBB24" gepostet, in dem es darum geht, dass der Chef einer Straßenbaufirma einen Bewerber um einen Ausbildungsplatz ablehnt, weil eine "Mitarbeit als Moslem unerwünscht" sei. In dem Artikel - und in meinem Post - sind Name der Firma sowie des Chefs genannt.
Nun schreibt mir jemand, es wäre doch nicht gut, solche Leute "an den Pranger zu stellen". Mehrere finden, mit solch einer Berichterstattung und solchen Posts würde man "cancel culture" betreiben, den Mann "mundtot" machen wollen, ihn "in seiner Meinungsfreiheit beschneiden".
Ich muss nun also doch ein bisschen ausholen.
1. Der Mann hat einen jungen Bewerber, der sich für einen Ausbildungsplatz als Tief/Straßenbauer bei dem Unternehmen im Landkreis Spree-Neiße, Brandenburg, beworben hat, abgelehnt und sich in dem Schreiben an den Bewerber über dessen angenommene Religion, den Islam, ausgelassen. Eine "Mitarbeit in unserem Unternehmen als praktizierender Moslem" sei "unerwünscht". Und weiter: "Der Islam ist in meinen Augen nicht mit der Verfassung der BRD in Einklang zu bringen".
Nun ist es so: Jeder darf „den“ Islam doof finden. So wie man auch Menschen mit Schuhgröße 43 oder Menschen mit roten Haaren oder den Verein zur Rettung der Nacktmulle oder den schlecht Trompete spielenden Nachbarn nebenan doof finden darf. Findet man Menschen einer Weltreligion pauschal doof oder weniger intelligent (so wie die Intelligenzbestie Sarrazin), ist man selbst ein bisschen (oder sehr) doof.
Aber egal. Man darf alle möglichen Leute doof finden und man darf selbst doof sein!
Etwas anderes ist es, Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit (oder wegen ihrer Schuhgröße oder ihrer Haarfarbe oder ihrer Vorliebe für Nacktmullen oder ihrer Unfähigkeit, Trompete zu spielen) in Alltagsfragen, die in keinem Zusammenhang mit der jeweiligen Eigenschaft stehen, zu diskriminieren, sie deswegen nicht einzustellen, ihnen eine Wohnung zu verweigern et cetera. Das ist Diskriminierung, und dagegen darf sich der/die Diskriminierte verbal und rechtlich wehren.
2. Wenn der Chef, der im Nachgang seine Worte sogar noch gerechtfertigt hat ("Wenn der Deutsche seine Leberwurst isst, setzt sich ein Moslem in einen anderen Raum. (…) Da haben wir uns entschlossen, sowas nicht einzustellen."), namentlich genannt und für seine Worte kritisiert wird, wenn sein Verhalten an die Öffentlichkeit gebracht wird, wenn seine Firma keine Aufträge mehr erhält, möglicherweise pleite geht, wenn er eine Rüge vom Arbeitgeber enthält, möglicherweise entlassen wird, wenn er juristische Konsequenzen erfährt, ist das keine "cancel culture", auch ist seine "Meinungsfreiheit" null eingeschränkt, er wird auch nicht "mundtot" gemacht.
Sondern er muss schlicht die Folgen seiner Worte aushalten. Für das, was er sagt oder schreibt, trägt er Verantwortung. Und es gibt keine Widerspruchsfreiheit. Auch für ihn nicht.
3. Natürlich ist es legitim zu fragen, ob religiöse Praktiken zu der Arbeit passen, die jemand anstrebt. Ich erinnere mich, dass zu meiner Marinezeit mal für ein paar Wochen drei Soldaten aus einem islamischen Land zu Ausbildungszwecken an Bord waren. Zwei davon fiel immer dann, wenn es stürmte und nass und kalt war und wir eine Manöverübung machen wollten, ein, dass sie genau jetzt unbedingt beten müssten. Ich erinnere mich, dass der Kommandant ihnen sagte: "Ihr könnt beten, wenn wir hier fertig sind!" oder "Beten steht später auf dem Dienstplan!" Ich finde, das ist völlig okay. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Religion ist Privatsache.
Andererseits: In einer offenen, toleranten, vielfältigen Gesellschaft nehmen wir Rücksicht aufeinander. Das heißt: Man versucht, konstruktive Lösungen zu finden.
Wenn jemand zum Beispiel, wie dieser Chef von der Straßenbaufirma, befürchtet, ein Mitarbeiter könnte seine Arbeit nicht vernünftig machen, wenn er im Ramadan faste, dann ist das eine legitime Befürchtung - die er ansprechen kann und sollte. Er könnte sagen: "Hören Sie, das, was wir hier machen, ist eine körperlich anspruchsvolle Tätigkeit. Mag sein, dass Sie sich trotz Fastens imstande fühlen, sie zu machen, oder dass Sie sich darauf verlassen, Allah beschütze Sie, aber ich muss mich leider nach den hiesigen Arbeitsschutzbestimmungen richten, nicht nach denen Allahs. Also ist es meine Fürsorgepflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie bitte nicht fasten." Er könnte auch argumentieren, dass ein Fasten nicht zwingend vorgesehen ist, wenn man körperlich arbeitet (so wie zum Beispiel auch Reisende, Schwangere, Kinder ausgenommen sind), aber auf eine theologische Debatte würde ich mich nicht einlassen, wenn ich mich nicht wirklich damit auskenne. Eine konstruktive Lösung wäre zu sagen: "Wenn Sie wollen, versuchen wir, Ihnen zu ermöglichen, in dieser Zeit Urlaub zu nehmen." Oder: "Wenn wir sehen, dass es mal weniger zu tun gibt, können Sie wenigstens an diesen Tagen fasten." Oder was auch immer.
Aber zu behaupten: "Der Islam steht nicht im Einklang mit der Verfassung" und wir stellen "sowas" deshalb nicht ein, ist völlig daneben, kritikwürdig und gehört sanktioniert.
Und in einer Zeit, in der Leute immer offener ihren Rassismus, ihren Antisemitismus, ihren Rechtsextremismus, ihre Xenophobie, ihre Menschenverachtung zur Schau stellen, ist es - leider - nötig, diese Leute dann auch öffentlich sehr deutlich zu kritisieren. In diesem Fall eben Frank Pilzecker von der Firma Asphalt Straßenbau Gesellschaft mbH im Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg.
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