.:. Vielen Dank an KiWi, Susi37, Nic67, Liesa44,
Jumpa, HeMu, welche uns kürzlich finanziell unterstützt haben. .:.
|
+ Portal-Navigation + |
|
|
|
|
Kinderarmut: Weniger Essen durch Hartz IV
|
|
gastli
|
FT-Nutzer
32.255 geschriebene Beiträge
|
|
Wohnort: terrigenus
|
13.07.2007 ~ 11:34 Uhr ~ gastli schreibt:
|
|
|
|
im Forum Thüringen seit: 03.12.2005
2268 erhaltene Danksagungen
|
|
|
Kinderarmut: Weniger Essen durch Hartz IV |
Beitrag Kennung: 54025
|
|
|
|
Kinderarmut: Weniger Essen durch Hartz IV, ist der Titel eines Vortrages von Prof. Rainer Roth, Sozialwissenschaftler, Frankfurt am Main.
Der Vortrag beginnt mit den folgenden Sätzen:
Zitat: |
Eine erfreuliche Mitteilung. Die SPD/CDU Bundesregierung tut etwas gegen Kinderarmut. Mit der Anhebung des Regelsatzes ab 1.Juli 2007 um 2 Euro mtl. stieg der im Regelsatz von Schulkindern bis 14 Jahren enthaltene Anteil für die Ernährung von 2,27 auf 2,28 Euro pro Tag. Der Aufschwung ist auch bei Hartz IV-EmpfängerInnen angekommen.
...
Ernährungsanteil bei Erwachsenen
Der Regelsatz eines alleinstehenden erwachsenen Sozialhilfebeziehers betrug 1987, also vor 20 Jahren, im Bundesdurchschnitt (umgerechnet) 203 Euro (398 DM). Damals galt: 57% dieses Betrags, d.h. 116 Euro oder 3,87 Euro am Tag entfielen auf Ernährung. Ab Juli 2007 sind es noch 3,81 Euro. Mit dem annähernd gleichen Betrag kann man sich aber nur noch 20% weniger Lebensmittel kaufen, da die Lebensmittelpreise in diesem Zeitraum um 20% gestiegen sind.
Warum 57%?
Seit Anfang der 70er Jahre wurden die Regelsätze auf der Basis von Warenkörben festgelegt. Die Ernährungsausgaben für Erwachsene beruhten auf Berechnungen, wie ein durchschnittlicher Kalorienbedarf von Erwachsenen von 2250 Kalorien pro Tag zu befriedigen wäre. Sie betrugen rd. 57% des damaligen Eckregelsatzes.
Seit dem Ende der 80er Jahre galt als Maßstab für die anerkannten Ernährungsausgaben nicht mehr, wieviel jemand für eine halbwegs befriedigende Ernährung angeblich braucht, sondern was die unteren Verbrauchergruppen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) tatsächlich dafür ausgeben. Das war weniger als die kärglichen Beträge, die vorher zugestanden wurden.
Ernährungsanteil bei Schulkindern
Noch krasser war die Entwicklung bei den Kinderregelsätzen.
Die Prozentsätze der Kinderregelsätze und die Einstufung in Altersklassen orientierten sich mit der Einführung von Warenkörben Anfang der 70er Jahre vor allem am Kalorienverbrauch. Sie betrugen z.B. wegen des steigenden Energieverbrauchs für 8-11 jährige 65% und für 12-15-jährige 75% des Eckregelsatzes, für 16-21 jährige 90%. (Regelsatzverordnung vom 10.07.1971 nach Käthe Petersen, Die Regelsätze nach dem BSHG, Frankfurt 1972, 52) Das galt bis 1990.
Ein 12-jähriges Schulkind hatte auf dieser Grundlage im Jahre 1987 noch 87 Euro mtl. oder 2,90 Euro täglich zur Verfügung, ein zehnjähriges Schulkind 75 Euro bzw. 2,51 Euro.
Ab Juli 2007 sind davon noch 2,28 Euro übrig geblieben.
Würden die damaligen Prozentsätze vom Eckregelsatzes heute noch bestehen und wäre die Steigerung der Lebensmittelpreise um 20% berücksichtigt worden,
müsste der Ernährungsanteil eines 12-jährigen Schulkindes heute nicht 2,28 Euro, sondern 3,48 Euro pro Tag betragen. Die zugestandenen Mittel für Essen und Trinken von Schulkindern aus Armutsfamilien sind also real um 1/3 gekürzt worden.
Das muss bekannt gemacht werden!
...
Die Rechnung lautet: Je weniger Unterstützung den Eltern und den Kindern zur Verfügung steht, auch für Unterkunfts- und Heizungskosten, desto stärker wird der "Anreiz" für die Eltern, zu den Armutslöhnen zu arbeiten, die Unternehmen zu zahlen bereit sind.
Die beklagte Arbeitsunlust ergibt sich noch nicht, wenn man nur den Bedarf eines Alleinstehenden betrachtet. Seine mickrigen durchschnittlich 662 Euro in einen Bruttolohn umzuwandeln, führt nur zu (fiktiven) Bruttolöhnen von 5-6 Euro. Erst die Kinder erzeugen bemerkenswert hohe Bruttolöhne. Je mehr Kinder, desto höher ist der "Bruttolohn" für die Eltern und desto hemmungsloser wird die ihnen unterstellte Faulheit.
Es sind also letztlich die Kinder, die nach der messerscharfen Analyse der Sprachrohre der Konzerninteressen die Arbeitslosigkeit erzeugen. Wie kann man da noch kinderfreundlich sein? Nicht umsonst stammt die Umrechnung der Hartz IV-Leistungen in Bruttolöhne aus der Werkstatt des Wirtschaftsinstituts des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, dem Institut der deutschen Wirtschaft, und aus der Feder der von Gesamtmetall finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Dazu kommt die sinkende Nachfrage des Kapitals nach Arbeitskraft und die damit verbundene sinkende Nachfrage nach dem entsprechenden Nachwuchs. Der eng mit der Deutschen Bank verbundene Prof. Dr. Manfred Pohl erklärte, dass 65% der Arbeitskräfte Maschinen bedienen und einfache geistige Arbeiten verrichten. "Von ihnen ist etwa ein Drittel nicht bildungsfähig, egal wieviele Millionen für ihre Bildung aufgebracht werden." (Pohl, Das Ende des Weißen Mannes, Berlin 2007, 5) Wozu also in Kinder von Hartz IV-Familien investieren, wenn es sich sowieso nicht rechnet?
Die Senkung der Regelsätze für Schulkinder zeigt also auch die Interesselosigkeit an der zukünftigen Arbeitskraft der Kinder aus Hartz IV-Familien. Dieses Desinteresse spiegelt sich darin wieder, dass 2/3 der Hauptschüler und die Hälfte der Realschüler keine Chance auf einen Ausbildungsplatz mehr haben und rd. 40-50% eines Jahrgangs in Warteschleifen kreist.
Schluss:
Wir müssen uns kleine und große Ziele setzen. Kleine Ziele sind ein vertretbarer Zuschuss zum Mittagessen, die Anerkennung der Schulkosten als zu übernehmende notwendige Ausgaben. Größere Ziele sind die Erhöhung des Eckregelsatzes auf mindestens 500 Euro.
Dabei sollte immer der Zusammenhang mit den Interessen des Kapitals hergestellt werden.
Da wir für eine deutliche Regelsatzerhöhung eintreten, sollte die Kampagne gegen Kinderarmut die Hartz IV-Parteien auf allen Ebenen (kommunal, auf Länderebene und bundesweit) mit der Frage unter Druck setzen, warum sie die Regelsätze für Schulkinder und insbesondere die Beträge für Essen und Trinken gesenkt haben.
Das könnte sie empfindlich dabei stören, wenn sie darum rangeln, wer von ihnen den ersten Platz auf der rosa Wolke der Kinderfreundlichkeit einnehmen darf.
der komplette Text
(elo)
|
Der Anfang mag sarkastisch oder ironisch klingen, es ist die bittere Wahrheit.
Ich habe den Vortrag aufmerksam gelesen und mit dem selbst erlebten und dem verglichen, was ich im Rahmen meiner Mitarbeit in der ISG Gera kennen gelernt habe. Die beschriebene Armut ist auch die bittere Realität für ca. 3000 Kinder in Gera.
Und nun frage ich mich woher der abgrundtiefe Hass dieser und der vorherigen Regierung gegenüber Kindern kommt. Denn anders kann ich mir eine derartige Gesetzgebung und deren Umsetzung nicht erklären.
|
|
|
|
|
|
|
|
| |
| |
|