Geist aus Luther's Schriften
Oder
C on c or da nz
der Ansichten und Urtheile
des gro ß e n Reform a to rs
über
die wichtigten Gegentände
des Glaubens, der Wienchaft und des Lebens.
H er ausgegeben
V D !!
- F. W. Lomler, G. F. Lucius, D. J. Rut, L. Sackreuter
und
D. Ernst Zimmermann,
D r it t e r B an d.
K bis R.
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IDärm städt, 1830.
Druck und Verlag von Karl Wilhelm Leske.
- 2.
K etzer. K e tz e r ei.
- I. Begriff. -
- 5591. Ketzeret oll nicht allein das heißen, das uner Volk
jetzt Ketzerei heißet, die auch machen zu Ketzerei, was ie nur
wollen; ondern was die Schrift Haeresin nennet; wie St. Pau
lus zum Tito am dritten V. 10. lehret: Den Haereticum ollt du
meiden, nachdem er zweimal vermahnet it, ollt gewiß ein, daß
ein olcher verkehret it, und ündiget, und hat chon ein Urtheil.
Das Wörtlein Haeresis kommt aus griechicher Sprache herein,
das heißt erwählen, erleen und ausondern. Daher heißt Haere
sis eine ondere, erwählte, elbt erdachte, eigene Lehre und Weie
u leben und gläuben außer der gemeinen Weie, das man jetzt
ecten, Stände und Orden heißet. Alo nenneten die Jüden die
Chriten eine Haeresin, oder Secte der Naarener, Apotelgech.
24, 14. Aber Paulus wollte ie nicht alo nennen, ondern einen
Weg, und prach: Ich wandele nach dem Wege, den ie Haeresin
oder Secte heißen. Daher its kommen in der Chritenheit, daß
alle die Haeretici heißen, die außer der Einigkeit und gemeinen
Weie des chritlichen Glaubens und Weens treten, und eine on
dere eigene Weie gläuben, und Wege für ich erwählen; daß die
zwei Wörtlein, Catholicus und Haereticus, wider einander trei
ten. Catholicus heißt, der mit dem Haufen it, und einhellig mit
der ganzen Sammlung timmet im Glauben und Geit, gleichwie
St. Paulus agt zun Epheern am 4., V. 5: Eine Taufe, ein
Glaube, ein Herr, ein Geit u. . w. Aber Haereticus, der eine eigene
Weie und Partei erdenkt. Darum heißt Haereticus eigentlich einen
Eigeninnigen in göttlichen Sachen, einen Sonderling, der etwas
Beers weiß, und ihm elbt erwählet einen Weg zum Himmel,
den der gemeine Chritenmann nicht gehet. Welches Later die
letzten Doctores nennen Singularitatem, capitositatem etc. Son
derlichkeit und Eigenwilligkeit. Aus dem it klar, daß der Ausatz,
der da Ketzerei bedeuten oll, bedeutet nichts Anders, denn den
eigenen Sinn, den Gutdünkel, die gute Meinung, der ich elbt
ausetzt von der Gemeinde, in den Dingen, die Seele und Gott
belangend, davon Moes agt 5 Mo. 12, 8: Du ollt nicht thun,
was dich recht dünket. Und it kein Later o tracks dem rechten
Wege und Glauben zuwider, daß die Apotel, Petrus und Paulus,
viel Sorge dafür gehabt haben, und die Mutter Gottes nennet
denelben Schlangenkopf, Mens cordis sui, den Dünkel ihres Her
zens, Luc. 1, 51. Und der deutche Name, Ausatz, lautet zumal
fein darauf, daß olche Leute ausätzig, von dem Haufen, auch
aus der Gemeinde geetzt werden. Item, St. Pauli Wort, da er
agt zu Tito (Tit. 3, 10.): Er olle einen olchen meiden. Wie
wohl ie jetzt verbrennet werden, die kleinen Ketzer von den gro
ßen, oder, daß ichs baß age, die Chriten von den Ketzern. Denn
aus dieem Vorgeagten it leichtlich zu vertehen, wo jetzt Ketzer
ind. Nämlich, da der Gutdünkel, der rechte Ausatz, außer
und über den gemeinen chritlichen Glauben, ondere Secten, Or
den, Weie und Wege, fromm zu ein und elig zu werden, auf
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