Andreas Goerke und seine Familie leben in Angst – Kritik am Staatsschutz
Fulda – Von Svenja Müller – Er ringt immer wieder nach Worten, wirkt durcheinander und ausgelaugt – Andreas Goerke, Vorsitzender vom Bündnis „Fulda stellt sich quer“, schildert am Donnerstagabend emotional und tiefbetroffen von dem Psychoterror, dem er, seine Frau und sein Sohn Lucas nach eigenem Bekunden seit einigen Wochen ausgesetzt ist. Morddrohungen, Mordverdacht sowie Feuerwehr- und Polizeieinsätze bestimmen aktuell das Leben der Familie.
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„Mir fällt es schwer darüber wieder zu reden“, sagt Goerke, der sich all seinen Mut zusammengenommen hat und mit seinen Erlebnissen der vergangenen Wochen an die Öffentlichkeit geht. Neben ihm sitzt sein Sohn Lucas, der ihn immer wieder an der Schulter packt und ihn versucht zu unterstützen.
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Der Psychoterror habe vor etwa fünf Wochen bei ihm angefangen, nachdem das Bündnis gemeinsam mit anderen Unterstützern einen Auftritt von AfD-Sprecher Björn Höcke in Fulda verhindert hatte. „Darauf können wir unheimlich stolz sein. Damit haben wir Fulda viel erspart“, so Goerke. Kurz darauf sei er mit seiner Frau nach Hause gekommen und vor der Tür Kataloge, Online-Mitgliedschaften bei der NPD und AfD, Otto-Bestellungen, Pornohefte, erotische Kleidung sowie Kontaktanzeigen, in denen stand, dass seine Frau einen anderen Mann sucht, aufgefunden. Wenige Tage später schaute er aus dem Fenster und entdeckte sechs Feuerwehrfahrzeuge vor seinem Haus. Die Einsatzkräfte wurden wegen einer angeblich brennenden Gartenhütte alarmiert. Während des Einsatzes kamen im Zehn-Minuten-Takt Lieferservices angefahren und haben insgesamt Waren im Wert von 1000 Euro gebracht. „Mir taten die Menschen leid, die zurückfahren mussten. Ich konnte nicht alle bezahlen“, erzählte Goerke. Am 11. Februar nahm die Geschichte noch größere Ausmaße an. „Ich guckte aus dem Fenster und schaute auf eine gezogene Waffe von einem Polizisten“, schilderte der Vorsitzende. 25 Polizisten seien ums Haus gelaufen. Als seine Frau rausgerannt sei, hätten die Einsatzkräfte „Safe“ geschrien. Schließlich stellte sich heraus, dass jemand von einer Telefonzelle im Kohlhäuser Feld bei der Polizei angerufen hatte. Derjenige hatte angegeben, Andreas Goerke zu sein. Er habe in seine Frau reingestochen, ab und zu habe sie noch gezuckt, dann habe er nochmal zugeschlagen und das „Schwein“ umgebracht. Nur drei Tage später der nächste Schock: Während Goerke in Griechenland war, erhielt seine Frau ein Schreiben, in dem eine Morddrohung gegen ihren „Dreckssohn eines linksradikalen Kommunisten“ ausgesprochen wurde. Goerkes Sohn Lucas nimmt sich am Donnerstag allen Mut zusammen und liest den Brief selbst vor. Der 17-Jährige kann das Geschehene selbst kaum begreifen, bleibt aber stark: „Ich werde weiterhin normal zur Schule gehen.“ Sein Vater kann das alles noch immer nicht glauben. „Es kann kein normaler Mensch sein, der so etwas in die Öffentlichkeit bringt“, betont Goerke und fügt an: „Das ist unterstes Niveau. Das ist die dreckigste Methode, die ich im Leben erlebt habe. Mittlerweile lebt man in Angst.“ Er selbst wisse, dass er oft in der Öffentlichkeit stehe und auch manchmal ein politischer Brandstifter sei, doch so etwas sei nicht.
Aktuell laufen die Ermittlungen. Die Einsatzkräfte lobt Goerke vor allem wegen ihrer psychologischen Betreuung. Kritik äußert er allerdings am ermittelnden Staatsschutz. „Man hat sich gefühlt, als ob man selbst in die Täterrolle gesetzt wird“, erzählt Lucas Goerke. Immer wieder seien ihm Fragen gestellt worden, die seiner Ansicht nach nichts mit der Sache zu tun hätten. Sein Vater bekommt mittlerweile rechtlichen Beistand, um einen Einblick in die Ermittlungsakten zu bekommen. Andreas Goerke glaube sehr wohl an den Rechtsstaat, aber manchmal frage er sich, ob der Rechtsstaat auf dem rechten Auge blind sei. Von der Staatsanwaltschaft habe die Familie noch nichts gehört. „Man lebt permanent unter Angst. Das ist krank“, sagt Goerke und fügt an: „Man ist ausgelaugt, kaputt und kann sich wochenlang nicht konzentrieren.“ Seine Familie gehe wo anders einkaufen oder essen. „Wir haben uns teilweise versteckt, weil wir Angst haben“, so Goerke. Die Solidarität, die er nun von außen erhalte, gebe Mut und Kraft. Einige Solidaritätsbekundungen aus der gesamten Bundesrepublik verlas Martin Übelacker, aus dem Vorstand von „Fulda stellt sich quer“, der die Konferenz mit Rolf Müller, DGB-Organisationssekretär, leitete. |