|
Entsorgung australischer Chemikalien in Deutschland gestoppt
Von Dieter Hanisch, Brunsbüttel
Es ist ein teuflisches Zeug: Hexachlorbenzol (HCB). In Deutschland ist es seit 26 Jahren nicht mehr als Pflanzenschutzmittel zugelassen, doch jetzt sollen 22 000 Tonnen HCB-Giftmüll aus Australien über den Seeweg nach Brunsbüttel gebracht werden, um in deutschen Müllverbrennungsanlagen beseitigt zu werden.
Es ist schlimm, dass große Mengen des hochtoxischen, krebserregenden Hexachlorbenzols um den halben Globus geschippert werden müssen, um sie fachgerecht zu entsorgen, sagen Umweltschützer. Seit Langem fordern sie die Errichtung von entsprechenden Anlagen in jenen Ländern, die den Müll produzieren. Seit 30 Jahren bedrohe die HCB-Altlast das Grundwasser von Sydney.
Dem australisch-deutschen Mülldeal hat das schleswig-holsteinische Landesamt für Natur- und Umweltschutz zunächst einen Riegel vorgeschoben. Da wichtige Unterlagen fehlen, sei das Genehmigungsverfahren für die Anlandung des Giftmülltransportes in Brunsbüttel gestoppt worden, verkündete Christian Seyfert, Sprecher des Umweltministeriums. Den deutschen Behörden sei bislang weder eine Müll-Analyse zugegangen noch der Nachweis, dass die Fracht nicht in Australien entsorgt werden könne. Genau das besagt die international bindende Baseler Konvention.
Der Mülltransfer zwischen dem Chemikalien- und Sprengstoffhersteller Ornica sowie den deutschen Entsorgungsfirmen ist aufgeschoben, aber möglicherweise nicht aufgehoben. Die vier Schiffe mit der 1200 Container umfassenden brisanten Ladung dürfen bis auf Weiteres den Hafen in Sydney nicht verlassen. Ursprünglich war geplant, dass sie im Mai Brunsbüttel an der Elbe ansteuern. Dort käme ein Drittel des Giftmülls in die Verbrennung, während der Rest in Containern auf dem Straßen- oder Schienenweg zu Abfallentsorgungsabnehmern im Ruhrgebiet zu transportieren wäre. Abnehmer sind Verbrennungsanlagen in Herten, Leverkusen und Dormagen.
Auch wenn der HCB-Einsatz seit 2004 weltweit verboten ist, sind Restbestände noch in Umlauf. Die Beseitigung solcher »tickenden Zeitbomben« ist für deutsche Firmen lukrativ. So soll beispielsweise Bayer an dem Australien-Geschäft drei Millionen Euro verdienen. Die Betreiber der großen Verbrennungsanlagen rufen folglich auch zur Gelassenheit auf. Der Geschäftsführer der von Remondis betriebenen Sonderabfallverbrennungsanlage (SAVA) in Brunsbüttel, Martin Kemmler, spricht von Routine- und Alltagsgeschäften. Ständig komme Müll – unter anderem auch aus Afrika. Über die Umweltbehörde in Itzehoe würden die Formalien abgewickelt. Längst ist die Mitte der 90er Jahre in Betrieb genommene Brunsbütteler Anlage zu einem weltweiten Drehkreuz für Sondermüllanlieferungen geworden. Genau davor hatten die Bündnisgrünen vor ihrer Inbetriebnahme eindringlich gewarnt. 35 000 Tonnen jährlich werden dort beseitigt.
Doch in ganz Deutschland gibt es inzwischen begehrte Ziele für Sondermüllverbrennungen. Speziell Nordrhein-Westfalen mit seinen Anlagen ist Giftmüll-Importstandort Nummer 1, hat Ingo Gödeke vom Bund für Umwelt und Naturschutz zusammengetragen. HCB kann nicht rückstandsfrei entsorgt werden. Restmengen türmen sich auf Deponien und müssen dort über Jahrzehnte gelagert werden.
Besonders in Herten hat es schon heftige Proteste gegen die Verarbeitung des australischen Giftmülls gegeben. Die Einwohner von Brunsbüttel erwägen ebenfalls, mit einer Demonstration lautstark ihren Widerwillen zu bekunden. Einwände, die sie bei einem Anhörungsverfahren äußerten, blieben bisher folgenlos. Nach dem schweren Zugunglück, das sich im Januar auf dem Bahngleis bei Tornesch vor den Toren Hamburgs ereignete und bei dem Chloressigsäure aus drei Waggons auslief, ist die Bevölkerung auch gegenüber Gefahrguttransporten auf der Schiene skeptisch geworden.
Bahn-Sprecher Ole Constantinescu weist alle Anschuldigungen gegen sein Unternehmen zurück. Rund 60 Güterzüge passierten täglich die nördliche Bahntrasse von Hamburg. Dabei sei jede siebte Tonne Fracht Gefahrgut, darunter auch giftige Industrieabfälle und Chemikalien.
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=105610&IDC=3
Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Adeodatus: 26.02.2007 15:31.
|