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@ gastli:
Was ich über das Leben der einzelnen Menschen hier hinaus sehe, ist folgendes:
In Gera gibt es eine linke Mehrheit in den Köpfen und im Stadtrat. Viele Köpfe beschäftigen sich mit Gedanken, wie man Geld besser verteilen kann, aber nicht damit, wie Geld entsteht, nämlich durch Wertschöpfung. Sie denken Geld kommt vom Staat. Unternehmer sind grundsätzlich verdächtig, wenn nicht sogar Feinde. Wachstum ist Quatsch. Geld und Arbeit kann man einfach nach einem Gerechtigkeitsgefühl verteilen, die Mengen an Gütern und Dienstleistungen sowie an Geld und Arbeit bleiben dabei gleich.
Gera hat es fertig gebracht, daß es die Gera-Arcaden und das Elsterforum in der Innenstadt gibt, was keine große Meisterleistung darstellt, da diese Einkaufscenter von privaten Unternehmern gebaut wurden und es in vergleichbaren Städten bereits wesentlich früher solche Center gab. Darüber hinaus hat man die Ansiedlung weiterer zahlreicher Handelseinrichtungen zugelassen (die Stadt hat sie ja nicht gebaut). Aber bereits an Problemen, wie der Gestaltung der Sorge oder des Aussehens des Marktes (dem Aushängeschild jeder Stadt), der Zahl öffentlicher städtischer Toiletten und anderem mehr scheitert man. Um eine Schließung von Schulen bei stark zurückgegangenen Schülerzahlen wird aber heftig gestritten.
Wir haben nun eine neue Straßenbahnlinie, bald ein modernisiertes Theater, demnächst die BUGA. Riesige Fördermittelbeträge wurden dafür entgegengenommen.
Was ist die Quelle solcher Beträge?
Wir haben viele Rentner und Arbeitslose in Gera, die ihr Geld monatlich von einer staatlichen Stelle überwiesen bekommen.
Was ist die Quelle für dieses Geld?
Wir haben ein Krankenhaus in Gera, wo meines Wissens etwa 2000 Mitarbeiter arbeiten und ihr Einkommen aus Mitteln der Krankenversicherung, also aus Krankenversicherungsbeiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhalten.
Wir haben wohl einige hundert Angestellte bei der Rentenversicherung, die ihr Einkommen aus Mitteln der Rentenversicherung, also aus Rentenversicherungsbeiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhalten.
Milliardenbeträge wurden seit der Wende aus öffentlichen und privaten Händen in Gera investiert.
Wie sprudelt die Quelle für all solche Beträge in Gera und was tun wir dafür?
Gera hat eine hervorragende Lage an der Autobahn.
Andere Städte und Regionen waren erfolgreicher als wir.
In Gera vorhandene Gewerbetreibende werden nach meinem Eindruck von dieser Stadt zumindest nicht gepflegt. Im Zusammenhang mit den Plänen für den Umbau der Wiesestraße war die Stadt nicht mal zu einer Aussage in der Lage, wieviele Gewerbetreibende sich im Bereich des betroffenen Gebiets befinden. Gewerbetreibende in Bereichen, wo gebaut wird, haben teilweise jahrelange Zugangseinschränkungen hinzunehmen, in denen Kunden wegbleiben und Geschäfte erschwert werden. Potentielle Investoren sind in der Vergangenheit als Bittsteller in Gera behandelt worden. Der letzte mir bekannte Fall des Scheiterns eines Investors an der Stadt, ist der Mediamarkt, der nach jahrelangem Gezerre nun erfolgreich verhindert wurde, währenddessen es in Meerane seit wenigen Tagen nun einen neuen Mediamarkt gibt - also auf nach Jena oder Meerane! An die Neuansiedlung größerer Unternehmen ist in Gera unter solchen Umständen gar nicht zu glauben.
Auf Montagsdemonstrationen wird Menschen in Gera seit nunmehr mehr als zwei Jahren nicht geholfen, sondern sie werden nach meinem Eindruck von Scharfmachern in einer Weise angeheizt, die ihnen zu einer positiven Änderung ihres eigenen Lebens durch eigenes, konkretes Tun an der richtigen Stelle jedensfalls nicht verhilft. Steht beispielsweise der Herr Naundorf als privater Jobvermittler an der Demonstrationsstrecke, sieht man sich zum Ausweichen veranlaßt. (Hier der Link zum MDR dazu.) Die Geraer Kommunalpolitik ist von Montagsdemonstrationen wohl auch nicht besser geworden - oder habe ich da was verpaßt?
Menschen machen es sich oft leicht, vorhandene Defizite in der eigenen Vorstellungswelt, der eigenen Politik oder auch in der eigenen Person auf das Land Thüringen, die Regierung in Berlin, die Gesellschaftsordnung, die Unternehmer oder wen auch immer zu schieben. Es ist doch bequemer, wenn nicht ich mich verändern soll, sondern wenn sich die anderen bzw. "die Gesellschaft" verändern soll. Für die Geraer Kommunalpolitik ist es leicht, hohe Gelder vom Land, Bund, der EU oder von anderen entgegenzunehmen, politische Verantwortung für Mißstände aber auch dort zu suchen. Vielleicht sollten die uns alle ja noch mehr Geld nach Gera geben? Durchaus vorhandene Wirtschaftsfördermittel wurden jedenfalls mangels vorhandener förderfähiger Wirtschaft nicht oder so wenig abgerufen, daß kein spürbarer Effekt davon in Gera zu sehen ist.
Das sind einige der Dinge, die ich kritisch sehe und die mir Sorgen machen, wenn ich an Gera und seine Menschen denke. Soll ich das auch "Dreck" nennen? Nein, das werde ich nicht tun.
Wenn sich "die Gesellschaft in Gera" mal ändern würde, wäre ich schon ganz zufrieden. Wenn wir das erreicht hätten, dann könnten wir uns besser über eine darüberhinausgehende Änderung "der Gesellschaft" unterhalten.
Ich warte jedoch nicht, bis diese Veränderung eines Tages vielleicht einmal eintritt. Ich habe mein Leben selbst verändert, um auch ohne Arbeitsstelle in Gera, die ich bis zur Wende hatte, trotzdem in Gera weiterhin wohnen zu können und dabei nicht auf dem Niveau staatlicher Grundversorgung zu verbleiben.
Dieser Beitrag wurde 2 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Simson: 11.12.2006 22:48.
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