„Wir setzen uns nicht auf die Straße", kündigen Frankfurter Autonome an - sie denken eher an Barrikaden gegen Neonazis
Es riecht förmlich nach Randale. Wenn am Samstag NPD-Mitglieder, Neonazis und vermutlich auch Rechtsextremisten aus Belgien oder anderen Ländern durch Frankfurt marschieren, wollen Lars Mertens und seine Mitkämpfer von der „Antifa“ nicht nur am Straßenrand stehen und pfeifen. Sie wollen die NPD-Demonstration verhindern – aktiv. Was das heißt? Sitzblockaden veranstalten und sich dann von der Polizei wegtragen lassen? Nein, sagt Mertens: „Wir setzen uns nicht auf die Straße.“ Man werde die „Nazis“ mit anderen Mitteln zu stoppen versuchen, mit Barrikaden etwa. Und wenn das nicht gelingt? „Dann tragen wir unseren Protest zu den Verantwortlichen in die Innenstadt.“ Weniger vornehm ausgedrückt: Die sogenannten Antifaschisten aus der autonomen Szene könnten durchaus Züge blockieren, Schaufensterscheiben zerschmeißen und sich Prügeleien mit NPD-Anhängern, aber auch Polizisten liefern.
Lars Mertens heißt im wirklichen Leben anders. Der 23 Jahre alte Student hat sich für seine politischen Aktivitäten ein Pseudonym zugelegt. Mit seinen recht kurz geschnittenen Haaren, seinem eher schmalen Gesicht und seiner Intellektuellenbrille schaut Mertens eigentlich nicht nach „Antifa“ oder „Schwarzem Block“ aus. Doch er und seine Freunde meinen es offenbar ernst: Sie möchten die NPD-Demonstranten stoppen, und sei es mit Gewalt. „Aktive Verhinderung“ nennt das Mertens. Nein, umbringen wollten sie niemanden, sagt Mertens. „Aber Antifaschismus kann kein Pazifismus sein.“ Ein Nazi, der zwei Wochen lang im Krankenhaus liege, könne zwei Wochen lang niemanden zusammenschlagen, lautet seine Logik.
Anzeige
Blockadestrategie gegen die NPD-Aktivisten
Lars Mertens gehört der „Autonomen Antifa Frankfurt“ an, einer losen Gruppe von etwa 30 Aktivisten mit antikapitalistischer Ausrichtung. Sie haben zum Beispiel Anfang des Jahres die Proteste gegen den Opernball vor der Alten Oper organisiert. In der sogenannten Antifa-Koordination haben sie sich jetzt mit anderen Frankfurter Antifa-Gruppen zusammengetan, um am Samstag gegen „Nazis“ vorzugehen. In Kooperation mit den diversen Organisationen der Anti-Nazi-Koordination um den Pfarrer Hans Christoph Stoodt planen sie eine Blockadestrategie: Sie wollen die NPD-Demonstranten schon an der Anreise nach Frankfurt hindern, indem sie etwa deren Busse frühzeitig lahmlegen oder sie an deren Treffpunkt außerhalb Frankfurts attackieren. Sollte dies nicht gelingen, wollen sie sich dem Demonstrationszug der Rechtsextremisten, der wahrscheinlich nach Hausen vor die Neue Börse führen wird, in den Weg stellen. Ihre Hoffnung ist, dass die Polizei die Demonstration kurzfristig untersagt, weil sie die Sicherheit nicht mehr garantieren kann.
Mit 5000 Blockierern rechnet die „Antifa-Koordination“, 1000 davon werden nach Mertens’ Schätzung Autonome aus den Reihen der „Antifa“ sein – sie kommen aus Frankfurt und der Region, aber auch aus anderen deutschen Großstädten. Man mobilisiere in jenen Kreisen und Netzwerken, deren Aktivisten auch bei der Demonstration gegen den G-8-Gipfel in Rostock dabei gewesen seien. Manch einer, der dort im Schwarzen Block mitlief, dürfte also auch in Frankfurt aktiv sein.
Nicht reden, sondern handgreiflich werden
„Aktiv“ ist denn auch ein zentraler Begriff für „Antifas“ wie Mertens. Man will nicht vor dem Römer Rednern zuhören wie die Mitstreiter des Römerberg-Bündnisses, die dort am Samstag eine Kundgebung gegen Rechtsextremismus abhalten. In den Augen von Mertens und seinen Freunden sind Leute wie Petra Roth, die auch auf der Kundgebung sprechen wird, „nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“. Im Gegensatz zum Römerberg-Bündnis wollen die „Antifas“ Mertens zufolge wirklich etwas tun gegen die „Nazis“ – handgreiflich.
Für ihn und seine Mitstreiter zählt vor allem der Erfolg. Will heißen: die Verhinderung der NPD-Demonstration. Überhaupt aller Aktivität von Neonazis. Vor einigen Tagen haben die „Antifas“ in Sachsenhausen drei angebliche Rechtsextremisten „geoutet“: Sie haben Flugblätter über die drei Männer in die Briefkästen der Nachbarn gesteckt und eine kleine Kundgebung abgehalten. Natürlich sei das ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre, räumt Mertens ein. Doch „Nazis“ hätten eben einfach kein Recht auf Privatsphäre. Deshalb fühlt sich die „Antifa“ auch berechtigt, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. |