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Adeodatus Benutzerkonto wurde gelöscht
31.01.2013 ~ 12:26 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
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RE: "Verfassungs"gericht segnet weiche "Euthanasie" an Armen ab |
Beitrag Kennung: 607802
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Das hier hat zwar mit dem eigentlichen Thema nicht viele Gemeinsamkeiten aber ich bringe es trotzdem mal hier um unter anderem einmal darauf hinzuweisen wo die wirklichen Gefahren für Patienten liegen (und das unabhängig von deren Geldbeutel)
Das Thema lief gestern auf der ARD in der Sendung "Plus / Minus"
Zitat: |
Patientenärger: Wenn plötzlich Medikamente fehlen
Meist sind Patienten mit schweren Erkrankungen auf ein spezielles Medikament angewiesen. Umso besser, wenn ein Präparat wirklich hilft und sich der Gesundheitszustand schnell bessert. Unvorstellbar für Betroffene, wenn der Hersteller das Medikament dann plötzlich vom Markt nimmt und es kaum Ersatz gibt. Plusminus ist einigen Fällen und den Hintergründen nachgegangen.
Andreas S. ist lebensgefährlich an einer seltenen Form von Blutkrebs erkrankt. Drei Chemotherapien blieben erfolglos. Erst seit er mit dem Medikament Campath behandelt wird, bessert sich sein Zustand. Doch im August 2012 nimmt der Hersteller das Medikament vom Markt. Ein Schock für Andreas S. Für ihn bedeute das nichts anderes, als sterben zu müssen. Für das Medikament gibt es keinen Ersatz. Der Arzt von Andreas S., Prof. Clemens Wendtner, besorgt es mit hohem bürokratischem Aufwand aus dem Ausland. Wie lange das noch geht, sei allerdings unklar, meint der Neurologe. Im Gespräch mit "Plusminus" macht er seinem Ärger Luft:
"Das hat sehr viel Schaden bewirkt. Nicht nur bei uns Therapeuten, sondern auch bei den Patienten. So darf das deutsche Gesundheitswesen nicht mit Patienten und Ärzten umspringen."
Kasse machen auf Kosten der Patienten?
Doch warum nimmt der Hersteller das Medikament vom Markt? Der Wirkstoff von Campath ist Alemtuzumab. Er wird seit 2001 verschrieben. Doch mittlerweile hat man herausgefunden, dass Alemtuzumab nicht nur bei Leukämie, sondern auch bei Multipler Sklerose (MS) wirkt. Da in Deutschland deutlich mehr Menschen an MS als an der speziellen Form von Leukämie, wie sie Andreas S. hat, leiden, eröffnet sich für den Hersteller Sanofi ein viel lukrativerer Markt. Deshalb hat der Hersteller Sanofi vermutlich entschieden, diesen Wirkstoff nicht mehr für Leukämie, sondern für Multiple Sklerose zuzulassen. Das räumt Sanofi auch ein. Neben anderen Aspekten " … ist die Entscheidung natürlich auch unternehmerisch begründet", heißt es in einem Schreiben.
Für Sanofi sind aber offenbar nicht nur die hohen Patientenzahlen bei MS ausschlaggebend. Der Konzern verdient auch aus anderen Gründen deutlich mehr. Bei Leukämie eingesetzt kostete 1 mg Alemtuzumab ca. 22 Euro. Wird der gleiche Wirkstoff bei MS wird der Preis nach Expertenschätzungen pro mg vermutlich bei 208 Euro liegen. Fast das Zehnfache.
Mit den 500 Leukämiepatienten, die den Wirkstoff brauchen, setzte der Hersteller Sanofi in zwei Jahren ungefähr 23 Millionen Euro um. Bekämen nur zehn Prozent der deutschen MS-Patienten das Mittel, würde Sanofi nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 260 Millionen umsetzen. Ein sattes Plus von 237 Millionen.
Kein Einzelfall
Dieses lukrative Bäumchen-wechsle-Dich-Spiel gibt es häufiger. Seit 1995 ist ein Präparat des Pharma-Herstellers Biogen Idec gegen Schuppenflechte auf dem Markt. Der Hauptwirkstoff ist Dimethylfumarat. Inzwischen hat sich durch Zufall herausgestellt, dass der Dimethylfumarat auch bei Multipler Sklerose hilft. Das ist offenbar der Grund, warum der Hersteller die beantragte Zulassung für Schuppenflechte zurückzieht. Pharmariese Biogen Idec will das Medikament nun ausschließlich für MS auf den Markt bringen. Voraussichtliche Zulassung ist 2. Quartal 2013.
Das gesetzliche Preisgebungsverfahren macht es möglich
Wie gut dieses Mittel hilft, weiß Antje R. Sie leidet seit 30 Jahren an schubförmiger Multipler Sklerose. Zeitweise konnte sie keine Treppen steigen, war blind. Herkömmliche MS-Präparate halfen kaum. Deshalb nimmt sie auf eigene Kosten und Verantwortung den Wirkstoff Dimethylfumarat. Es schenkt ihr Lebensqualität:
"Ich bin wacher, ich bin fitter. Ich hab überhaupt keine tauben Füße mehr, ich kann mich super gut konzentrieren. Ich habe keinerlei Schwierigkeiten mit dem Sprechen. Also es ist richtig toll."
Der Wirkstoff ist billig, die Herstellung der Kapseln übernimmt eine Apotheke. Für ein Jahr zahlt Antje R. knapp 900 Euro aus eigener Tasche. Wird Dimethylfumarat für MS offiziell zugelassen, wird es viel teurer. Experten schätzen, dass es dann etwa 20.000 Euro pro Patient und Jahr kosten wird. Das macht das gesetzliche Preisgebungsverfahren möglich.
Wird ein neues Medikament zugelassen, darf der Hersteller den Preis für die ersten zwölf Monate selbst festlegen. Danach orientiert sich der Preis hauptsächlich an den Medikamenten, die zur Behandlung der Krankheit schon auf dem Markt sind. Da MS-Medikamente sehr teuer sind, darf das neue Präparat auch viel kosten.
"Ich würde das Raubrittertum nennen …"
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen kennt das Problem, sieht aber aufgrund der Gesetzeslage keine Handhabe, wie Florian Lanz, Pressesprecher des GKV-Spitzenverbandes, sagt:
"Die gesetzliche Vorgabe ist eindeutig. Das andere Thema sind die Kosten und da gebe ich Ihnen völlig Recht: Es ist extrem ärgerlich, wenn mehr gezahlt werden muss, als etwas eigentlich wert ist."
Auch das Gesundheitsministerium verweist auf die bestehenden Regelungen. Ein Interview will man uns dort nicht geben.
Pharmakologe Bernd Mühlbauer, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, glaubt, dass auch andere Pharma-Unternehmen dieses lukrative Spiel für sich nutzen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er meint:
"Ich empfinde da ein ganz erhebliches Auseinanderklaffen des moralisch-ethischen Anspruches, den die pharmazeutische Industrie ja in großflächigen Werbekampagnen dauernd erhebt. Ich würde das modernes Raubrittertum nennen, was sie da an den Tag legen."
Antje R. ist froh, das Mittel heute schon nehmen zu können. Dass es nach der offiziellen Marktzulassung soviel kosten soll, findet sie unerhört. Aber dann zahlt es ja die Krankenkasse.
Den Pharmafirmen steht es übrigens frei, für ein Medikament Zulassungen für verschiedene Krankheiten zu beantragen. Dann könnte das gleiche Präparat aber zu unterschiedlichen Preisen auf den Markt kommen und Ärzte würden wohl das billigere verschreiben.
Autorin: Ulrike Unfug
Quelle: daserste.de Plusminuns |
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