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Kinderarmut in Gera |
Beitrag Kennung: 227098
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Geraer Stadtrat schweigt sich zur Armut aus
Caritas fordert auf Fachtag Erklärung
Von Uwe Müller Gera.
Armut und ihre Folgen dürfen nicht als lebensprägendes Schicksal hingenommen werden. Möglichst allen Bürgern der Stadt gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, dem widmete sich am Sonnabend ein Fachtag, veranstaltet vom städtischen Sozialdezernat und von der Kreisarbeitsgemeinschaft der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege in der Stadt.
"Haben wir jemand vergessen?", fragte die sechsstündige Fachtagung mit Teilnehmern aus Politik und Wirtschaft, aus Wohlfahrtsverbänden, Kultur und Sport. Birgit Klemm, Fachdienstleiterin Kinder- und Jugendhilfe, formuliert im Resümee des Gedankenaustausches die Herausforderung: "Wie gelingt es, jeden zu erreichen? Wie kommen wir insbesondere an die Eltern heran, die nun schon in zweiter Generation ohne Arbeit und arm sind?" Wobei schnell klar war, dass Armut nicht allein eine Frage der finanziellen Mittellosigkeit ist. "Es gibt viele Familien, die in der Stadt an der Armutsgrenze leben und trotzdem ein glückliches und erfülltes Leben führen", gibt Frau Klemm zu bedenken.
"Bildung ist die Chance, um aus Armut herauszukommen", betont Christina Köhler vom Staatlichen Schulamt Gera/Schmölln. Sie regt an, in Sozialraumkonferenzen das Thema zu vertiefen. "Die Schule als wichtiger Lebensraum bietet Chancen, Kinder aus sozial schwachen Familien einzubeziehen", attestiert PD Dr. Jörg Seidel, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im SRH-Waldklinikum.
Ein Armutszeugnis stellt Andreas Zube, Geschäftsführer des Caritasverbandes Ostthüringen, dem Geraer Stadtrat aus. "Wir fordern eine Armutsdefinition. Es existiert noch nicht einmal eine Erklärung des Stadtrates, dass es in Gera Armut gibt, geschweige denn, wie sie bekämpft werden soll. Dabei sind 25 Prozent der Bürger von Sozialleistungen abhängig", so der Vertreter des katholischen Wohlfahrtsverbandes. Städtische Angebote verfehlten ihr Ziel. "Die Sozialcard wird nicht hinreichend genutzt - sei es aus Desinteresse, weil Wege zu weit sind oder weil die Angebote unbekannt ist", analysiert Zube. Seine Arbeitsgruppe regt an, Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern und Ärzte zu schulen - also einen Personenkreis, der noch unmittelbaren Zugang zu den Armen in der Gesellschaft hat, um diese zu informieren und zu beraten.
Zube kritisiert auch, dass das Netz an Jugendklubs und Seniorenbegegnungsstätten in der Stadt nicht flächendeckend sei und "nicht unbedingt den Qualitätsstandards genügt"; Defizite gebe es in der personellen, materiellen und räumlichen Ausstattung. Der Arbeitskreis "Armut und Existenzsicherung" fordert daher für Jugendklubs und Seniorenbegegnungsstätten ein koordiniertes Handeln; "das darf nicht dem Wildwuchs einzelner Träger überlassen werden".
Lars Eisert-Bagemihl, Geschäftsführer der Diakonie Ostthüringen, regt an, kommunale Kombilöhne einzuführen und Bürgerstiftungen zu initiieren.
Aus der Arbeitsgruppe "Armut und Gesundheit" wird weitere Kritik an die Adresse der Stadtverwaltung laut: Anträge auf Essengeldzuschüsse würden zu lange unbearbeitet liegen bleiben.
Quelle: OTZ
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