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An die Hand genommen |
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Das Projekt "Assistenz U 25" ist für die ganz schwierigen Fälle von Jenarbeit zuständig
Von OTZ-Redakteur Lutz Prager Jena. Es kommt schon mal vor, dass Wiebke Meyer zu nachtschlafener Zeit zu ihrer Arbeit geht.
Dabei ist die 27-Jährige weder Bäckerin, noch Straßenbahnfahrerin und sie trägt auch keine Tageszeitungen aus. Sie geht zum Beispiel in die Wohnung zu Nils, um ihn zu wecken und dafür zu sorgen, dass er zumindest einigermaßen pünktlich zur Ausbildung in eine Reha-Einrichtung kommt, oder besser: überhaupt dort erscheint. Wiebke Meyer ist diplomierte Sozialpädagogin mit FH-Abschluss und kümmert sich gemeinsam mit ihrer Berufskollegin Juliane Erbe um die ganz harten Fälle der Hartz-IV-Agenturen Jenarbeit und Arge Saale-Holzland-Kreis.
"Assistenz U 25" nennt sich das seit einem Jahr bestehende Projekt der Jugendberufshilfe Thüringen e. V., das sich den jungen Leuten in der Stadt und im Landkreis annimmt, die von ihren Voraussetzungen her völlig chancenlos auf dem heutigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind und die darüber hinaus regelrecht an die Hand genommen werden müssen, um sich im Leben zurechtzufinden.
Wiebke Meyer schildert zwei exemplarische Fälle von den 108 seit Projektbeginn betreuten Sorgenkindern. Zum Beispiel Nils. Inzwischen 25 Jahre, ohne Schulabschluss, überbetriebliche Ausbildung abgebrochen, Sozialkarriere in Ein-Euro-Jobs und ABM, Vater vor vier Jahren gestorben, kaum Kontakte zur Mutter, hohe Stromschulden.
Oder Lotta: 20 Jahre, ohne Schulabschluss, lebt mit ihrer sechsjährigen Tochter und einem Freund, der sich nicht um das Kind kümmert, in einer eigenen Wohnung. Wahrscheinlich nimmt sie Rauschmittel. Sie ist mit dem Kind völlig überfordert. In ihrer Kindheit wurde sie vom alkoholkranken Vater geschlagen und sexuell missbraucht. Bei ihren beruflichen Zukunftsvorstellungen überschätzt sie sich maßlos: Sie will ein Buch schreiben, so etwas wie Tolkins "Herr der Ringe", nur eben viel größer.
"Diese jungen Leute haben so komplexe Probleme, die nur durch sehr individuelle Begleitung und in sehr kleinen Schritten abgebaut werden können", sagt Projektleiterin Karla Schade, Referentin der Jugendberufshilfe Thüringen.
Die Sozialpädagoginnen, die ihre Klientel direkt von den Jenarbeit- und Arge-Fallmanagern geschickt bekommen, versuchen zunächst, Struktur in den Alltag der Jungerwachsenen zu bringen und verhandeln mit Gläubigern, um eine Lösung für die Schulden zu finden, die meist aus unbezahlten Handy- und Stromrechnungen oder Mietrückständen resultieren.
"Die Aufnahme einer Ausbildung oder der Versuch, einen Job auf dem Arbeitsmarkt zu finden, ist meistens erst ein Schritt, der am Ende der bis zu ein Jahr dauernden Betreuung liegt", sagt Juliane Erbe, "Ein Erfolgserlebnis ist schon, wenn ein Teilnehmer überhaupt zum Termin bei uns erscheint."
Dennoch ist Projektleiterin Karla Schade mit den Erfahrungen des ersten Jahres zufrieden. "Von den 108 unter 25-Jährigen, die sich freiwillig auf unser Angebot einließen, haben nur 12 abgebrochen", sagt Karla Schade. Ermutigend ist auch, dass 50 Teilnehmer in Angebote zur Berufsvorbereitung oder in eine überbetriebliche Ausbildung vermittelt werden konnten. Zehn schwierige Fälle schafften über die Vermittlung von Jenarbeit und Arge sogar den Sprung in einen regulären Job. "Bei einigen fehlte nur die ordnende Hand, die es in ihrer Familie nie gab, oder einfach ein kleiner Schubs, um wieder in der Spur zu laufen", meint Wiebke Meyer.
Für solche kleinen Erfolgserlebnisse steht die 27-Jährige Diplom-Sozialpädagogin auch weiter gern zu nachtschlafener Zeit auf, um einfach nur den Weckdienst zu spielen.
Jugendberufshilfe in Fakten· Von den 108 in den letzten 12 Monaten aufgenommenen jungen Leuten unter 25 kommen 61 aus dem Saale-Holzland-Kreis und 47 aus der Stadt Jena.
· 41 Prozent der Jugendlichen haben keinen Schulabschluss, 91 Prozent keinen Berufsabschluss, 56 Prozent haben bereits andere Maßnahmen abgebrochen, 37 Prozent hatten bereits strafrechtliche Probleme, 57 Prozent haben Schulden zwischen 1000 und 10 000 Euro, 10 Prozent sind alleinerziehende junge Mütter, Ausländerkinder stellen mit 5 Prozent nur eine ganz kleine Minderheit, · 80 Prozent der Teilnehmer leben in der eigenen Wohnung, nur 20 Prozent bei den Eltern. Fast immer sind die Familienverhältnisse über Jahre zerrüttet.
(C) bye OTZ 24.11.2006
damit ist mein " Schubladendenken" mal wieder bestätigt!
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