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Das Rosenwunder der Elisabeth |
Beitrag Kennung: 100993
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Elisabeth war die Gemahlin des Landgrafen Ludwig IV. Sie war eine überaus anmutige Frau von sanftem Wesen und sie strahlte Liebe und Barmherzigkeit aus, dass alles in ihrer Nähe wie mit frohen Farben überzogen wurde. Obwohl sie Landgräfin war und von hohem Stande, gehörte ihr Herz den Armen und Notleidenden, den Bettlern, Krüppeln und Schwachsinnigen, die um ihr tägliches Brot besorgt sein mussten und den nächsten Morgen verfluchten, der die Qual ihres erbärmlichen Lebens nur verlängerte.
Wo sie konnte, gab sie jenen Mitleidswürdigen ab von ihrem Hab und Gut. Doch ihre Freigebigkeit war am Hofe keineswegs nur gern gesehen. In einer Zeit, als selbst im Hause des Landgrafen kein Überfluss herrschte und durch Missernten und andere unglückliche Umstände fast schon eine Mangelwirtschaft waltete, da fand man kein Verständnis mehr für Elisabeths scheinbar unvernünftiges Verhalten.
So entschloss sich ihr Gemahl Ludwig auf Anraten seiner Vertrauten, Elisabeth künftig zu überwachen. Und eines Tages, als sie wieder einmal einen Korb mit den Vorräten von der Burg gefüllt hatte und auf dem Weg in die Stadt war, um die Armen zu speisen, das trat ihr Ludwig zu Pferde unvermittelt in den Weg. In seiner Stimme lag etwas Unfreundliches und Vorwurfsvolles, ja es schien, als wolle er sogleich seine Frau einer schrecklichen Bestrafung unterziehen. "Wohin gehst du? Und was ist in diesem Korb? Lüfte das Tuch und zeige es mir!" sprach er.
Elisabeth bekam einen furchtbaren Schreck. So finster hatte sie ihren Gemahl nie sprechen hören, und so glaubte sie, nun werde das Unheil über ihre Ehe hereinbrechen, da Ludwig die ganzen feinen Dinge in Korb sehen würde, die sie aus der eigenen Küche entwendet hatte. Schon rissen Ludwigs Diener das Tuch vom Korb, und da sie den Anblick vorauszuwissen glaubten, riefen sie bereits lauthals: "Seht nur Herr Graf, was sie im Korbe trägt!" Doch im selben Augenblick war es still in der Runde und alle starrten auf den Korb, der gefüllt war mit wunderschönen rotblühenden Rosen. Elisabeth, die sich als erste wieder besann, sagte mit ihrer sanften Stimme: "Gewiss mein Gemahl, es sind Rosen, die ich den Armen schenke. Denn wenn sie die Unglücklichen auch nicht satt machen, so sollen sie ihnen wenigstens die Gewissheit geben, dass jemand sie noch der Zuneigung für würdig hält."
Seit diesem Tag unternahm Ludwig nichts mehr, um seine Frau zu hindern und sagte nur halb im Scherz und halb resigniert: "Soll sie nur geben und verschenken, solange sie nicht unsere ganze Burg einem Aussätzigen hinter der Sankt Georgs Kirche vermacht."
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