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Forum-Thueringen» Speziell» Leben & Religion » Funktioniert ein Computer eigentlich wie unser Gehirn? » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
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Eisbär
Benutzerkonto wurde gelöscht



28.12.2006 ~ 20:40 Uhr ~ Eisbär schreibt:
Funktioniert ein Computer eigentlich wie unser Gehirn? Beitrag Kennung: 34144
gelesener Beitrag - ID 34144


Immer wieder werden Vergleiche zwischen dem menschlichen Hirn und einem Computer angestellt.

Zunächst einmal ist der grundlegenste Unterschied wohl der, dass ein Roboter zwar „denkt“, aber nicht über sein Bewusstsein reflektiert. Computer und Roboter sind programmiert und können demnach immer nur so schlau sein, wie der jeweilige Mensch, der sie programmiert hat. Noch benötigen Roboter die Befehle der Menschen, die programmiert werden. Doch es gibt schon Roboter, die aus ihren eigenen Fehlern lernen, das heißt ihre eigenen Aktionen in gewisser Weise steuern und bestimmte Fehler nicht noch mal machen, ohne dass das programmiert werden muss.

Es zeigt sich immer wieder, dass zentrale Qualitäten menschlichen Denkens nicht durch Maschinen ersetzt oder von Computern übernommen werden können. So die Wahrnehmung und Bewertung von Situationen, die menschliche Kreativität und die Entscheidungsfindung.

Die wichtigsten Bausteine des Gehirns sind die Neuronen. Man kann sich Neuronen als chemisch-elektrische Elemente denken. Diese Neuronen sind vielfältig untereinanderverbunden und bilden ein Netzwerk. Wichtig sind auch die Verbindungen zwischen den Neuronen: die Synapsen. Synapsen kann man als chemisch-elektrische Gewichte betrachten. Sie steuern die Stärke der Verbindung zwischen den Zellkörpern.

Das Gehirn besteht aus 20 Milliarden Neuronen. Diese 20 Milliarden Nervenzellen können untereinander die vielfältigsten Verbindungen eingehen und es ergibt sich eine kaum vorstellbar große Zahl an Kombinationsmöglichkeiten.

Das Gehirn ist - verglichen mit einem Digitalcomputer - sehr "langsam", aber im Gegensatz zum Computer kann unser Hirn selbst dann noch reibungslos funktionieren, wenn einzelne Nervenzellen verletzt sind. Der Computer ist dann oft außer Gefecht.

Ein wichtiger Unterschied liegt darin, wie das Hirn und der Computer Informationen verarbeiten. Das Gehirn arbeitet parallel, ein Digitalcomputer seriell. Selbst sehr schnelle Computer haben große Probleme bei der Mustererkennung oder der Bildverarbeitung. Ein Gehirn kann ein Gesicht aus einer großen Menschenmenge dagegen sehr rasch erkennen. Der Grund liegt in der gleichzeitigen Verarbeitung der visuellen Information.

Während der Computer einfach Informationen abspeichert, verarbeitet das Hirn diese Informationen, je nachdem, was es gerade wahrnimmt oder was der Mensch in dem Moment fühlt. So kann man bei einem Hirn nicht wie bei einem Computer in Soft- und Hardware trennen. Eine Nervenzelle kann alles beide sein. Es gibt inzwischen Bauelemente, die diese Eigenschaft des Gehirns teilweise simulieren können.

Noch sind Computer an vorgegebene Muster gebunden, der Mensch lebt zwr auch in sozialen Mustern, sein Hirn hat aber wesentlich mehr Fähigkeiten, die der Mensch oft gar nicht kennt oder nutzt. Ein Beispiel, dass den Unterschied zwischen Mensch und Computer noch verdeutlicht ist die Sprache. Während Menschen unter dem selben Wort ganz unterschiedliche Dinge verstehen können, es auf ihr Herkunft, ihr soziales Umfeld uns so weiter ankommt, welche Sprache sie sprechen und wie sie sie anwenden. Können Computer bisher keine "soziale" Sprache entwickeln. Keine eigene Sprache, wie es etwa Jugendliche machen, weil sie kreativ auf bestimmte Situationen eingehen und "cool" plötzlich "out" ist, weil "geil" oder "krass" in ist. Und zu wem kann ich dann manche Worte sagen und zu wem lieber nicht? Das sind Dinge, die Computer bisher nicht beurteilen können.



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danny   danny ist männlich Zeige danny auf Karte FT-Nutzer
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28.12.2006 ~ 22:29 Uhr ~ danny schreibt:
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RE: Funktioniert ein Computer eigentlich wie unser Gehirn? Beitrag Kennung: 34157
gelesener Beitrag - ID 34157


hier auch noch was zu Thema:

Über die Unvergleichlichkeit von Gehirn und Computer

Von den Irrwegen der Neurowissenschaften und der Künstliche-Intelligenz-Forschung

J.W. Forrester, der Vater der "kybernetischen Systemtheorie", erklärte am 7. Oktober 1970 vor einem Komitee des Kongresses der Vereinigten Staaten von Nordamerika das Verhältnis von Computer- und Denkmodellen: "Computermodelle unterscheiden sich in wesentlicher Hinsicht von Denkmodellen. Computermodelle sind explizit formuliert. Die ‘mathematische’ Begriffsschrift, die zur Beschreibung des Modells verwendet wurde, ist unzweideutig. Sie ist klarer und präziser als eine gesprochene Sprache wie etwa Englisch oder Französisch" (Forrester, 1970).

Joseph Weizenbaum, einer der Pioniere des Computer-Zeitalters, setzt sich mit Forrester auseinander und formuliert - unter Rückgriff auf Max Horkheimers bahnbrechende Schrift über die instrumentelle Vernunft - seine Kritik an Systemen wie denen von Forrester: "Aber diese Systeme sind auch in einem tieferen und wichtigeren Sinne einfach. Sie haben die Vernunft selbst lediglich auf deren Rolle bei der Beherrschung von Dingen, Menschen und letztlich der Natur reduziert. ... Denn nun, da die Sprache lediglich zu einem Werkzeug unter vielen gemacht worden ist, haben alle Begriffe, Ideen und Phantasien, die von Künstlern und Schriftstellern nicht in eine computerverständliche Sprache gebracht werden können, ihre Funktion und ihre Potenz verloren" (Weizenbaum 19872, S. 326 f.).

In der Konsequenz heißt dies, dass jene Anteile natürlicher Sprachen, die nicht "klar" formuliert werden können, nicht in irgendeine Computersprache übersetzbar seien. Die Schuld daran trage dann freilich der Mensch, keineswegs aber der Computer. Entsprechend lauten die Erklärungen einiger Vertreter der Künstlichen Intelligenz - ihr Ziel ist es bekanntermaßen, so genannte semantische Maschinen zu bauen, deren geistige Potenz denen des Menschen vergleichbar sein soll - für die bis zum heutigen Tage eher bescheidenen Leistungen ihrer Produkte: Entweder machen sie geltend, das Programm des Computers sei noch nicht genügend weit und differenziert entwickelt, oder die natürliche Sprache X sei nicht eindeutig und klar genug, um in Axiome der Computersprache übersetzt zu werden.

Hilfsweise wurde später ein Argument nachgeschoben, dessen Ursprung in den neueren Neurowissenschaften liegt. Neuere bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder die Magnetresonanztomographie (fMRI) haben zumindest teilweise die Annahmen früherer Forschungen (so Brodmann, 1909) zur Lokalisierung bestimmter Hirnfunktionen in beiden Hälften des Großhirns bestätigt, etwa jene, dass einzelne Areale der linken Hemisphäre des Großhirns bei Rechtshändern wesentlich für Sprachproduktion und Sprachverstehen zuständig sind, solche rechtshemisphärischer Dominanz hingegen eher für kreativ-künstlerische Produktions- und Rezeptionsverfahren. Vertreter der Künstlichen Intelligenz begründen nun gelegentlich die Leistungen ihrer Computer damit, dass diese zwar dem logisch geordneten Sprachprozess der linken Hirnhemisphäre nahe kämen, aber bei den nicht "klar" strukturierten Verarbeitungs- und Produktionsprozessen der rechten Hirnhälfte scheiterten: ein Trugschluss und eher Ausdruck von Hilflosigkeit.

Ein bizarrer Widerspruch ist heute zu konstatieren: Immense Fördermittel öffentlicher und privater Geldgeber stehen eher bescheidenen Erfolgen der Forschungen zur so genannten Künstlichen Intelligenz gegenüber.

Die bisherigen Misserfolge hindern maßgebliche Vertreter freilich nicht daran, höchst selbstbewusst aufzutreten und Thesen zu formulieren, deren Verifizierung in den Sternen steht. So argumentiert Ross King, die neuen Maschinen seien drauf und dran, mit der geistigen Potenz des Menschen gleichzuziehen (Ross King 2004, 423); Antonio Damasio - einer der führenden Hirnforscher auf dem Globus - behauptet kühn, moderne Computer könnten auch Gefühle empfinden und artikulieren (Damasio 2003, 206), und der Sprachphilosoph John Searle ist der Ansicht, Denken und Bewusstsein seien nichts als neuronale Prozesse und weiträumige Synapsenschaltungen (Searle 1996, 35).

Doch das menschliche Gehirn und der Computer sind nicht gleich und daher auch im Wesen nicht vergleichbar: Für dieses gelten die Prinzipien Auswahl, Bewertung, Qualität und nachdenkendes Innehalten, für jenen - den Computer also - hingegen unreflektierte Datensammlung, Quantität und Schnelligkeit des Verarbeitungsprozesses. Das Gehirn ist ein Organ besonderer Art, außergewöhnlich und unvergleichbar. Es ist Sitz des Gedächtnisses, des Bewusstseins und der personalen Identität jedes Menschen. Das Gehirn ist daher weit mehr als Materie oder gar "organische Maschine", sondern Hort des Denkens, der Ideen und des Glaubens.

In eine völlig andere Richtung hat in jüngster Zeit eine Gruppe zweifellos bedeutender deutscher Hirnforscher die Debatte um Körper und Geist, Materie und Seele, Denken, Bewusstsein und Verantwortung für das eigene Handeln gelenkt: Wolf Singer und Gerhard Roth bestreiten den freien Willen und die freie Entscheidung des Individuums und damit auch die Verantwortung des Einzelnen für seine Handlungen (Singer, 2002; Roth, 2002 et passim).

Roth schreibt: "Eine Gesellschaft darf niemanden bestrafen, nur weil er in irgendeinem moralischen Sinne schuldig geworden ist - dies hätte nur dann Sinn, wenn dieses denkende Subjekt die Möglichkeit gehabt hätte, auch anders zu handeln als tatsächlich geschehen" (Roth 2002, S. 41).

Man muss kein Strafrechtler sein, um zu begreifen, dass eine Gruppe von Hirnforschern in einer Art "selbstsuggestiver Metaphysik" (Lüderssen, 2003, S. 33) dabei ist, Verantwortung und Schuldfähigkeit des Menschen, zumal in demokratisch verfassten Gesellschaften, zu leugnen. Das würde dem friedlichen Zusammenleben der Menschen letztlich die Grundlage entziehen: Kinderschänder und andere Gewalttäter könnten für ihre Verbrechen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, weil sie ja vom Gehirn determiniert seien. Eine absurde Vorstellung!

Wir halten hingegen unverrückt an der aufklärerischen Maxime fest, dass Grundbegriffe der philosophischen Handlungstheorie wie Intentionalität, Zurechenbarkeit und Verantwortung für das je eigene Handeln nicht zur Disposition stehen. Sie sind Grundwerte jeglicher menschlichen Gesellschaft und dem Menschen eigen, nicht hingegen den Maschinen.

Es ist an der Zeit, dass sich die Geisteswissenschaften - Philosophie, Sprach- und Literaturwissenschaft, Geschichts- und Religionswissenschaften - mit ihrer hermeneutischen Kompetenz in dieser Diskussion zu Wort melden. Ein szientistisch-computergesteuerter Reduktionismus, der menschliches Denken, Empfinden und Handeln einerseits auf das Niveau von Maschinen zu verkleinern und andererseits die Verantwortung dafür zu leugnen beabsichtigt, darf nicht hingenommen werden. Das eine führt zur Absenkung menschlichen Denk- und Urteilsvermögens bis hin zur Verblödung durch Informationsüberflutung, das andere zur Aufgabe ethischer Grundmaximen. Beides zusammen aber stellt die Existenz der Gesellschaft in Frage.

Lutz Götze

Zitierte Literatur


Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von danny: 28.12.2006 22:30.



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