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Zitat: |
FOCUS Magazin | Nr. 30 (2016)
TITELTHEMA
Macht. Wahn. Erdogan.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: „Nur in Europa gibt es keine Todesstrafe. Ansonsten gibt es sie fast überall.“
FOCUS-Online-Autor Frank Nordhausen
FOCUS-Reporter Josef Hufelschulte
Samstag, 30.07.2016, 21:27
Er kam aus einem Armenviertel und galt als großer Reformer. Nach dem gescheiterten Militärputsch zerstört der türkische Präsident nun den Rechtsstaat und schwingt sich zum absoluten Herrscher auf. Ein lange vorbereiteter Plan?
Als Recep Tayyip Erdogan um kurz nach vier Uhr morgens am Atatürk-Flughafen in Istanbul vor die TV-Kameras tritt, wirkt er selbstbewusst wie immer. Keine Spur mehr von der Panik im Blick, als er Stunden zuvor seine Landsleute via Facetime aufgerufen hatte, sich den Putschisten in der Türkei entgegenzustellen.
Er befiehlt, die Kampfjets der Verräter abzuschießen und das Militär zu säubern. „Die Türkei wird nicht vom Militär regiert!“, verkündet er grimmig. Seine Anhänger bejubeln jedes seiner Worte an diesem frühen Samstagmorgen. Ganz nah stehen sie bei ihm. Es ist eine der Schlüsselszenen des gescheiterten Putsches in der Türkei vor einer Woche.
Bilder vermitteln: Präsident und Volk sind eins
Eine Szene, die sich in den Tagen danach noch vielfach wiederholt. Menschen drängeln sich eng an Erdogan, bilden Kordons gegen Außenstehende - als er zur Beisetzung von „Märtyrern“ des Putsches in der Istanbuler Fatih-Moschee betet. Als er vor seiner Privatresidenz in Istanbul-Üsküdar spricht.
Der Präsident und sein Volk, sollen die Bilder vermitteln, sind eins. Das Volk kam und beschützte ihn, den „Reis“, den Boss, der selbst von ganz unten kommt. Es ist eine Legende, die er zementiert, eine, die seit Jahren seine Karriere bestimmt.
Fethullah Gülen soll Drahtzieher sein
Die anderen, die Gegner oder die, die er zu solchen erkoren hat, verfolgt der 62-Jährige dagegen gnadenlos. 96 von 358 Generälen und weitere 3000 Militärangehörige ließ er nach dem Putsch verhaften, 2700 Richter und Staatsanwälte, 1500 Finanzbeamte, 15 000 Mitarbeiter des Bildungsministeriums und 21 000 Lehrer feuern, ebenso 30 von 81 Provinzgouverneuren.
Alle sollen Anhänger des in den USA lebenden Islam-Predigers Fethullah Gülen sein. Den früheren Duzfreund hat er als Drahtzieher des Staatsstreichs ausgemacht. „Dieser Körper, meine Brüder, hat Metastasen, und sie haben wie ein Krebsvirus den Staat befallen“, dröhnte Erdogan, seine Ausdrucksweise wie immer radikal. Er verkündete den Ausnahmezustand. So kann er in den kommenden Monaten ganz ohne Gerichte gegen alles und jeden vorgehen.
Putsch von langer Hand geplant?
Dabei spricht vieles dafür, dass die große Säuberungsaktion längst vor dem Putsch der Militärs beschlossen war. Seit zwei Jahren, so heißt es, lasse Erdogan Listen seiner Gegner zusammenstellen.
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„Kann nicht weitersprechen“: Erdogan bricht bei Trauerrede für Freund in Tränen aus
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Eine halbe Stunde nach dem Beginn der Schießereien fing der britische Geheimdienst GCHQ Telefonate, E-Mails und Textnachrichten im türkischen Regierungsapparat ab, wonach die Säuberungen am nächsten Tag beginnen und Gülen als Drahtzieher der Revolte dargestellt werden sollten. Der Aufstand, bei dem mindestens 240 Menschen getötet und 1400 verletzt wurden, sei „ein Geschenk Allahs“, stellte Erdogan fest.
Biograf: "Islamisierung ist nicht sein Ziel“
Es sind die zynischen Aussagen eines Mannes, der um der Macht willen buchstäblich bereit ist, über Leichen zu gehen. Und bei dem sich die Experten nicht einmal sicher sind, ob er mit seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) eine islamistische Agenda verfolgt.
„Der Islam spielt eine große Rolle, aber Islamisierung ist nicht sein Ziel“, sagt sein Biograf Nicolas Cheviron. „Erdogan geht es um die Macht, ihr ordnet er alles andere unter.“ Der Co-Vorsitzende der prokurdischen HDP, Selahattin Demirtas, ist überzeugt: „Wenn Erdogan glaubt, dass es für die Absicherung seiner Macht notwendig ist, wird er das ganze Land in Trümmer legen.“
Bild des Politikers hat sich radikal gewandelt
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Hochzeiten als dynastische Feiern inszeniert
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Emines Schwäche: Der Hang zum Luxus
Den Clan hält Erdogans Ehefrau mit eiserner Hand zusammen. Sie kontrolliert alles, was nach außen dringt. Das islamische Kopftuch trägt sie stur bei allen öffentlichen Auftritten - trotz Kritik der Laizisten im Staat. Emines Schwäche allerdings ist ihr Hang zum Luxus.
In einer Homestory für eine regierungsnahe Zeitung über das bescheidene Leben im neuen 1100-Zimmer-Palast in Ankara erwähnte sie, die Familie trinke gern einen besonderen weißen Tee aus der Schwarzmeerprovinz Rize. Eine PR-Katastrophe: Das Kilo kostet mindestens 1500 Euro.
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Kinderlose Frauen sind für Erdogan halbe Menschen
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Erdogan als Übervater der Nation
„Niemand kann mit den Türken oder der türkischen Ehre spielen“, erklärt er. Seine Dauerbotschaft klingt ein wenig wie die des absolutistischen Herrschers Ludwig XIV.: Ich verkörpere das Land. Wer sich gegen mich stellt, ist ein Verräter. Wie alle Autokraten lebt Erdogan von der Polarisierung. Je mehr Feinde, desto besser.
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Dramatische Folgen für das Land
Wie musste es ihn da treffen, als seine AKP 2015 erstmals seit ihrem Machtantritt die parlamentarische Mehrheit an die Opposition abtreten musste. Der „Boss“ habe damals einen Tag lang reglos auf seinem Stuhl gesessen und sich nicht einmal zum Beten erhoben, erzählt man sich.
Dann ging er zum Gegenangriff über, initiierte Neuwahlen und kündigte die Friedensverhandlungen mit der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Nach dem bewährten Prinzip: Chaos und Krieg, um sich als Retter zu profilieren.
Journalisten im Gefängnis
Im Osten tobt nun ein blutiger Bürgerkrieg, fast täglich erschüttern Terroranschläge das Land, die Wirtschaft schlingert, der Tourismus ist eingebrochen.
Kritik wischt Erdogan jedoch barsch beiseite, Fehler räumt er nie ein. Dafür wittert er überall Feinde und Verschwörungen. Der Putsch, an dem offenbar engste Vertraute wie sein Militärberater Ali Yazici beteiligt waren, dürfte seine Paranoia noch steigern. Kritiker beschimpft er als „Blutsauger“, „Atheisten“ und „Terroristen“.
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Der Feldzug gegen das eigene Volk
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Dünnhäutiger Herrscher
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Ein interessantes Psychogramm eines Herrschers.
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Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Meta: 17.08.2018 19:22.
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