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RE: Die Last des Gedenkens |
Beitrag Kennung: 975538
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Heute jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 75. Mal, und wir gedenken an diesem 27. Januar 2020 aller von den Nazis ermordeten Menschen. Juden, Sinti und Roma, politisch missliebiger, sogenannter Gewohnheitsverbrecher und sonstiger "lebensunwerten" Menschen.
Die genaue Zahl weiß niemand.
Es ist eigentlich auch egal, ob es 6, 7, 8 oder 11 Millionen waren. Das sind alles Dimensionen, die sich damals wie heute niemand wirklich vorstellen kann.
Wir können es uns vorstellen, wenn zum Beispiel zwei oder drei Menschen ermordet werden, vielleicht noch zehn. Bei 50 haben wir schon Probleme, uns die einzelnen Individuen vorzustellen, erst recht bei 100, geschweige denn 1000. Aber Millionen? Da schrumpfen Menschen zu einer anonymen Masse, Individuen zu einer Zahl. Sie werden sozusagen entmenschlicht.
Wir dürfen niemals vergessen, dass diese Opfer des Holocaust nicht der millionste Teil von etwas waren, sondern Nachbarn, Schulkameraden, der Bäcker oder Schneider nebenan, der Rechtsanwalt, der Arzt, der Architekt, der Künstler. Mit Namen, mit Familie, mit einem sozialen Umfeld, mit einer Geschichte und einer nie eingetretenen Zukunft.
Die Stolpersteine in vielen Städten erinnern daran und halten diese Erinnerung wach, und das werden sie hoffentlich auch noch tun, wenn der letzte Zeitzeuge, der dem ihm von den Nazis zugedachten Schicksal entronnen ist, gestorben ist.
Wir dürfen auch niemals vergessen, dass auf der anderen Seite nicht Hitler oder Himmler, nicht Heydrich oder Eichmann diese Menschen ermordeten.
Es waren auch hier der Nachbar, der Bäcker, der Schuster, der Polizist oder der Fabrikarbeiter, die entweder der Nazipropaganda auf den Leim gegangen sind oder tatsächlich geglaubt haben, was die Nazis ihnen weisgemacht hatten. Oder, weil sie plötzlich ihren Vorteil erkannt haben. In der SS konnte jeder Karriere machen, man bekam Macht über andere Menschen, man konnte letztendlich Gott spielen und über Leben oder Tod entscheiden. Für viele eine verlockende Vorstellung. Wer sich das nicht traute, konnte zumindest denunzieren, wenn jemand Juden versteckt hielt oder sich sonst wie "verdächtig" verhielt. Auch das verschaffte Vorteile.
NIE WIEDER darf es geschehen!
NIE WIEDER dürfen wir es zulassen!
Mir soll niemand erzählen, "man habe nichts gewusst" oder "man habe nur Befehle befolgt", wie das in der Nachkriegszeit so gerne behauptet wurde. Nein, grade in der Endphase des Krieges, als das Schicksal Deutschlands schon längst besiegelt war, war die Zustimmung zum Regime so hoch wie nie zuvor. Jeder konnte die Züge nach Auschwitz und in andere Lager sehen, jeder die Skelette, die zum Arbeitseinsatz durch die Städte getrieben wurden. Die KZs waren teilweise in unmittelbarer Nachbarschaft zu Städten, man konnte den Geruch der Krematorien in weitem Umkreis riechen, und "... dann kommst du ins KZ" wurde zur beliebten Drohung.
All das darf niemals vergessen werden! Niemand muss sich persönlich verantwortlich fühlen, wir waren ja noch nicht einmal geboren. Aber wir sehen heute wieder die teilweise deckungsgleichen Mechanismen wie in den zwanziger und dreißiger Jahren, als die Nazis mit Lügen, Terror und Gewalt ihrer Ideologie den Weg ebneten. Und auch da waren es viele Steigbügelhalter in der Politik, die es den Nazis leichtgemacht hatten, teils weil sie sie unterschätzt hatten, teils weil sie sich Vorteile erhofften oder auch, weil sich deren Anschauung zumindest teilweise mit denen der Nazis deckte. Wieder greift brauner Terror um sich, wieder wird durch Lügen und Verdrehungen von Tatsachen ein Angstszenario aufgebaut und wieder sehen viele einfach weg und verharmlosen die Gefahr von Rechts.
Wir alle müssen dagegen angehen.
Das Erinnern und Mahnen darf niemals aufhören.
Weder Demokratie noch Menschlichkeit funktionieren aus sich heraus, man muss was dafür tun. Täglich. Nicht nur am 27. Januar jeden Jahres.
Kommt deshalb um 16.15 Uhr zum Eingang Küchengarten am Theater!
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